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Geheimpolizei in Uniform

GFP: Die Gestapo der Wehrmacht - Hitlers Spezialtruppe aus Abwehr und SS spionierte und exekutierte hinter der Front

Mittwoch, 19. Juni 1940. Hitlers Armeen stehen vor Paris. Durch die Straßen der Seine-Metropole preschen bereits die ersten Vorauskommandos. Ihr Auftrag lautet: Sicherung von feindlichen Dokumenten. Die Soldaten tragen Wehrmachtsuniformen, nur die Buchstaben »GFP« auf ihren Schulterstücken weisen sie als Angehörige der »Geheimen Feldpolizei« aus. Aber nicht alle GFPler sind Angehörige der Wehrmacht, unter ihnen befindet sich auch ein Trupp des Sicherheitsdienstes der SS, des SD. Sein Ziel ist das Archiv der französischen Sicherheitspolizei der »Surété«. SS-Hauptsturmführer Helmut Knochen kennt den Weg. Seine Dienststelle, das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) in Berlin, hat ihn mit besten Informationen ausstatten können. Seit Jahren schon haben deutsche Agenten die französische Hauptstadt ausgekundschaftet. Knochen hat Erfolg: Seinem Kommando gelingt es, das französische Polizeiarchiv nahezu vollständig zu übernehmen.

Nach dem Krieg bemühen sich westdeutsche Historiker, die Aktion des SD-Kommandos als eine Einmischung der SS in den Machtbereich der Abwehr darzustellen. An die Zusammenarbeit von Wehrmacht und SS möchte sich die Verteidiger der »Abwehr«, des militärischen Geheimdienstes Nazi-Deutschlands, nicht mehr erinnern. Schließlich zählt Abwehr-Chef Admiral Wilhelm Canaris zu den Widerständlern des 20.Juli 1944, spätestens seitdem O.E.Hasse ihn im Kino-Film »Canaris« verkörperte.

Es bedurfte der Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944«, dieses in Westdeutschland »vergessene« Kapitel deutscher Militärgeschichte zu reaktivieren. In der Deutschen Demokratischen Republik war die GFP immerhin Gegenstand der Dissertation des NVA-Offiziers Klaus Gessner gewesen.

Die GFP macht ihrem Namen alle Ehre: Sie ist die Geheimpolizei der Wehrmacht. Innerhalb der Streitkräfte und den von ihr kontrollierten Gebieten erfüllt sie dieselbe Aufgabe wie die Gestapo: Bekämpfung von »volks- und staatsgefährdenden Bestrebungen«, damit gemeint sind Spionage, Verrat, Sabotage und feindliche Propaganda. Hinzu kommt die präventive Aufklärung solcher Aktivitäten. Die Heersdienstvorschrift vom 24. Juli 1939 hält ausdrücklich fest, dass »Verfügungen und Angelegenheiten der Geheimen Feldpolizei nicht der Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegen.«

Oberstleutnant Franz Eccard von Bentivegni leitete am 4. November 1939 eine Konferenz in der Hacketäuer-Kaserne in Köln-Mülheim, wo Einsatz der GFP im sogenannten »Polen-Feldzug« analysiert wurde. Bentivegni war der Chef der Abteilung III der Abwehr. Die Abteilung III war zuständig für die Spionageabwehr. Bentivegni unterstreicht in seiner Eröffnungsrede den Auftrag der GFP, das Feldheer geheimpolizeilich zu überwachen, so der ostdeutsche Historiker Klaus Gessner in seiner Dissertation über die GFP. Hauptmann Heidschuch hielt einen längeren Vortrag über den Einsatz der GFP in Polen. Der Offizier beklagte die auftragsfremde Verwendung von GFP-Einheiten, wie zum Beispiel zur Verkehrsregelung, und lobte die Zusammenarbeit mit Organen des RSHA.

Die Kooperation der Abwehragenten mit den Beamten der Gestapo und des Sicherheitsdienstes (SD) der SS lag in der Natur der GFP. 1936 hatten Abwehr-Chef Admiral Wilhelm Canaris und SS-Gruppenführer Werner Best, Verwaltungschef im RSHA, gemeinsam die neue Truppe geschaffen. Beide Organisationen brauchten zur Spionageabwehr die gegenseitige Unterstützung: Die Soldaten kamen nicht ohne die polizeitechnischen Kenntnisse der Gestapo aus, die Gestapo benötigte das Fachwissen der Militärs, um die Wichtigkeit gefundener Dokumente einschätzen zu können. Während des Spanischen Bürgerkriegs (1936-39) perfektionierten die beiden Geheimdienste ihre Zusammenarbeit. Während des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion führten GFP-Gruppen Massenexekutionen durch. Aber im Nürnberger Prozess konnten die Ankläger nicht beweisen, dass die GFP zur Gestapo gehörte. Deshalb erklärte sie der Internationale Militärgerichtshof nicht zur »verbrecherischen Organisation«. Ihrem obersten Chef, dem Oberst der Polizei und SS-Oberführer Wilhelm Kirchbaum, gelang so nach 1945 der Neustart beim Bundesnachrichtendienst (BND) unter General Gehlen. Die GFP bleibt bis heute ein wenig beschriebenes Blatt in der deutschen Geschichtsschreibung.


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