Logo Geheim 3/1999

Editorial

Im Gewalt- und Geheimdienstapparat Deutschlands ist bekanntlich einiges in Bewegung, von der Anpassung nationaler militärischer, polizeilicher und geheimdienstlicher Strukturen an den Anspruch der Wahrung weltweiter deutscher Interessen, über die führende Beteiligung am Auf-, Aus- und Umbau militärischer, polizeilicher und geheimdienstlicher Strukturen der Inneren und Äußeren Sicherheit in Europa (GASP/WEU/multinationale Verbände/Bund und Länder) bis hin zur Neudefinition der deutschen Rolle in und gegenüber internationalen Organisationen der Sicherheit und Zusammenarbeit wie UNO, OSZE und NATO.

Alte Einrichtungen verändern ihre Rolle und ihr Verhältnis zueinander: z.B. BND, MAD, ANBw und BGS im Bereich der militärischen Aufklärung, BfV, BKA und MAD im Staatsschutzbereich, BKA, ZKA und BND in den Bereichen der Auslandsaufklärung, der Gefahrenabwehr, der Strafverfolgung, aber auch Bundeswehr, Polizei und Geheimdienste insgesamt.

Der Aus- und Umbau der staatlichen Sicherheitsverwaltung, die Ausweitung und Intensivierung des Sicherheitsbereichs in allgemeinen staatlichen und privaten Verwaltungen, der Auf- und Ausbau privater Sicherheitsstrukturen in Wirtschaft und Gesellschaft, in Betrieben, Verbänden und Gemeinden vollziehen sich als komplementäre Entwicklungen, nicht zu reden von der Expansion des Wirtschaftsbereichs Sicherheit: vom Wachdienst über technische Sicherheit bis zum privatwirtschaftlichen Geheimdienst.

In diesem Zusammenhang bewegt sich die Diskussion um die parlamentarische Kontrolle der Dienste.

Hier sollen nicht die verschiedenen Modelle im Einzelnen diskutiert werden, sondern die Frage, wie sich linke Politik zu Geheimdienste im Allgemeinen und zu ihrer parlamentarischen Kontrolle im Besonderen verhält.

In der PDS gibt es unterschiedliche bis gegensätzliche Positionen zu dieser Frage, die nicht akademisch bleiben, sondern sich in der Programmatik und der Parlamentspraxis der Partei und ihrer Fraktionen in Bund und Ländern niederschlagen und zu bewähren haben.

Im Vordergrund der Debatte stand bisher die Frage, ob eine Beteiligung der PDS an dem neuen Parlamentarischen Kontroll-Gremium (PKG) des Deutschen Bundestages demokratischer Politik förderlich sein könnte oder nicht, unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Erfahrung, dass die Sicherheitsbehörden sich ihre Kontrolleure unter Mitwirkung des Verfassungsschutzes und des Bundesministeriums des Innern (SüG) selbst auszusuchen pflegen, frei nach der Devise: »Verfassungsfeinde müssen draußen bleiben.« Verfassungsfeind ist, wer sein Demokratieverständnis unter Verstoß gegen das Gebot der repräsentativen Demokratie beispielsweise mit Pufendorf an dem Gedanken der Identität von Regierenden und Regierten orientiert (nach Eckhart Jesse, dem führenden Geschmacksbildner der »streitbaren Demokraten« in der Nationalen Sicherheitsbehörde).

In Heft 4/98 hat Roland Claus, MdB und Parlamentarischer Geschäftsführer der PDS im Bundestag, in Verlängerung der Parlamentspolitik der PDS in Sachsen-Anhalt seine Ablehnung einer Beteiligung an der PKG des Bundes formuliert unter der Überschrift: »Geheimdienste abschaffen, nicht kontrollieren.«

In Heft 2/99 hat Ulla Jelpke, MdB und als Innenpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag Kandidatin für einen Sitz in der PKG, unter der Überschrift: »Nicht mitmachen ist zu wenig«, für die Rückkehr zu der klassischen Frage: Was tun? plädiert.

Inzwischen ist die Frage des Mitmachens oder nicht in den Mühlen noch der Bonner Parlamentstaktik gemahlen worden. Die PDS hat ihr Recht nicht durchsetzen können, es ist ihr aber auch eine neuerliche Demütigung erspart geblieben.

In diesem Heft denkt Evelyn Kenzler, Dr. jur., MdB und rechtspolitische Sprecherin der PDS im Bundestag, öffentlich über Ulla Jelpkes These nach unter der Mutmaßung, dass Mitmachen unter Umständen zu wenig und zu viel sein kann - und fordert die Praktiker auf, sich zu Wort zu melden.


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