Logo Geheim 2/1999

Hohe Richter Griechenlands verurteilen die NATO-Aggression gegen Jugoslawien
Dokumentation

»Damit ist die Angelegenheit endlich dort, wo sie nach Meinung fast ausnahmslos aller Völkerrechtler ausschließlich hingehört - vor der UNO«, kommentierte der Reporter einer großen Fernsehanstalt das Ereignis der Resolution des Sicherheitsrates auf Umwegen.

So war es. Die Völkerrechtler, die Friedensforscher, die große Mehrheit der Bevölkerung hatten sich gegen den Krieg gewandt, den die smarten Enkel der Friedensnobelpreisträger, Schröder, Scharping und Fischer aus der Wurstküche, hemmungslos führten, entfesselt, fanatisch - vor allem ungehindert mit ihren verantwortungslosen video-game-boys in den Bombern.

Wußten wir nicht, daß Schröder seine Moral beim Industrie-Krieger und -General Piëch leiht? Daß Scharping Rad fährt, immer mit dem Kopf zuerst auf den Asphalt ... und - neuerdings - ständig nach einem neuen Hitler sucht, um (eingebildete?) Familienschande zu tilgen? Erinnern wir uns nicht, daß Fischer Anfang der 90er öffentlich im SPIEGEL-Gespräch (wo auch sonst?) nach Faustrecht in Ostdeutschland jieperte?

Kann's uns also wundern, daß Schröder, Scharping, Fischer, daß diese Führer der internationalen Gemeinschaft bedenkenlos das Völkerrecht schützen, wenn sich die Gelegenheit bietet? Sie haben sich bereit gemacht, frei von Parteitagsbeschlüssen, frei von Fraktionsbeschlüssen, frei von Bundestagsbeschlüssen, frei von Kabinettsbeschlüssen, frei vom Grundgesetz, frei vom Völkerrecht - wozu? For freedom and democracy all over the world, Demokratie und Marktwirtschaft oder Splitterbomben in gelben Containern hekatombenweise auf Felder und Wege.

Es gab eine Menge Anzeigen beim Generalbundesanwalt (GBA), selbst die »Falken«, vor denen Scharping kürzlich noch mit dem Absingen der »Internationale« glänzte, zeigten den rasenden Verteidigungsminister auf Bundesbeschluß bei der Staatsanwaltschaft an. Die aber blieb standhaft untätig, lehnte die Eröffnung von Ermittlungsverfahren stereotyp mit einer Standardbegründung ab.

Aber da gibt es offenbar doch bei aller Macht ein empfundenes Defizit: Als die Rechtsvertreter der von Jugoslawien wegen der Führung eines Angriffskrieges beklagten NATO-Staaten bei der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag am
10. Mai auf die Begründung der Klage durch die Klagevertreter aus dem Völkerrecht mit nichts anderem zu antworten wußten als dem dummdreisten Bestreiten der Zuständigkeit des IGH, gab's Rüffel vom Zentralorgan des BDI. Die FAZ liefert bis jetzt die Diskussion und Argumente nach und findet denn auch ab und zu einen Völkerrechtler, der aus dem Völkerrecht das Recht zum Krieg herausliest. Der Nachhilfeunterricht mutet an wie der Kampf um den Rechtsstaat unter faschistischen Bedingungen: Der Elite schmeckt die naßforsche Brutalität ihrer politischen Agenten nicht, die Macht mit nichts als Phrasen kaschieren. Hier muß Berechenbarkeit her, Planbarkeit, Recht - suche Best für Heydrich. Nicht wir ziehen diese Parallele - dieses Verdienst hat Solshenizyn.

Es ist in der Tat ein Fall, an dem Entstehung von Recht studiert werden kann. Mit der Zerstörung des Völkerrechtssystems vergeht nicht nur ein Recht, es entsteht auch ein neues Recht. Das Völkerrecht hatte der Willkür Fesseln angelegt. Jetzt legt die Macht wieder ihr Recht auf Willkür frei, ein Recht von oben. Daß ihr das immer wieder am besten gelingt mit dem wechselfarbigen Kleinbürger Stirnerscher Provenienz, dem Revolutionär aus dem Mädchenpensionat und der Waldorfschule, dem Studienstiftler und ewigen Streber von unten aus der Wurstküche, der nur volles Verständnis für Herrn Piechs Zwänge hat, weil ihm auch nichts über sich und das Seinige (und die Seinigen) geht.

Aber noch ist der Kampf im Gange, ein ungleicher Kampf, das Recht von unten ist in der Defensive. Es geht um Allianzen und Strategien. Schauen wir uns um. Wir sind die Mehrheit, wir haben die besseren Gründe, wir brauchen nur noch die Macht, uns durchzusetzen.

Freiheitszeichen aus Hellas, Hoffnungsfunken.

Ende April 1999 gingen 20 Mitglieder des griechischen Staatsrates (Griechenlands höchstes Verwaltungsgericht) mit einer Erklärung zu den Verbrechen der NATO-Staaten gegen Jugoslawien an die Öffentlichkeit. Angeführt wurde die Liste der Unterzeichner von Michaelis Akleris, dem Vize-Präsidenten des griechischen Staatsrates. Der Text wurde als englische Übersetzung einer Veröffentlichung der griechischen Tageszeitung »Eleftherotypia« vom 29. April 1999 verbreitet. Wir geben ihn in vorläufiger Form im Deutschen wieder.

Die Redaktion

1. Die NATO-Offensive gegen einen souveränen Staat Europas - bisher einmalig in der Nachkriegsgeschichte - stellt nicht nur einen Affront gegen die ethischen Prinzipien der griechischen und europäischen Zivilisation dar. Dieser Vorgang ist eine juristische Angelegenheit, die nicht durch die moralische Abscheu verdeckt werden sollte, die gerechter Weise von dieser feigen und barbarischen Attacke ausgelöst wird. Im Gegenteil, diese Angelegenheit ist von höchster Wichtigkeit und sollte insbesondere von denen behandelt werden, die auf dem Gebiet des Rechts kompetent sind, da es ihre Aufgabe ist, dem Recht zu dienen.

2. Dieser durch nichts gerechtfertigte Angriff ist eine flagrante Verletzung der Artikel 1 und 2 der 'Charta der Vereinten Nationen', die ausdrücklich die Gewaltanwendung in den internationalen Beziehungen verbieten und den Sicherheitsrat (Artikel 41ff.) als einzig zuständig in internationalen Krisen bestimmen. Dementsprechend - aber auch nach den allgemein anerkannten Regeln des internationalen Rechts - gibt es keinerlei Raum für eigenmächtige Krisen-Manager, oder ist es gar dritten Ländern erlaubt - unter welchem Vorwand auch immer - sich in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates einzumischen.

3. Aber dieser Angriff verletzt sogar die 'NATO-Charta', deren ausschließliche Aufgabe in der kollektiven Verteidigung jenes Gebietes besteht, das mit den Grenzen der Mitgliedstaaten übereinstimmt. Die 'NATO-Charta' hat sich hinsichtlich der internationalen Beziehungen ausdrücklich darauf festgelegt, sich jeglicher Form der Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Prinzipien und Aufgaben der Vereinten Nationen nicht übereinstimmen (Artikel 1). Das bedeutet, daß sich die NATO in ihrer eigenen Charta der Charta der Vereinten Nationen unterworfen hat. Und dies hätte auch nicht anders sein können, da es keine internationale Organisation oder Allianz geben kann, die über den Vereinten Nationen stehen könnte.

4. Außerdem schützen die 'Charta der Vereinten Nationen' sowie alle allgemein akzeptierten Regeln des internationalen Rechts die Gleichheit und die Souveränität aller Völker, unabhängig von ihrer Bevölkerungsstärke und ihrer Macht; das bedeutet, daß keinerlei Rechtsprechung von Seiten mächtiger Nationen akzeptiert wird, die Basis für eine Intervention in die inneren Angelegenheiten schwächerer Nationen ist oder das Lösungen diktiert werden, die nach dem Gusto dieser mächtigen Nationen sind. Konsequenterweise bedeutet dies, daß die Krise im Kosovo, so schwer sie auch sein mag, eine interne jugoslawische Angelegenheit bleibt und der Rechtsprechung des souveränen jugoslawischen Staates untersteht. Jegliche humanitäre oder andere Interessen der Vereinten Nationen, anderer internationaler Organisationen oder dritter Staaten können daher nur auf friedlichem Wege und mit diplomatischen Mitteln im Rahmen der 'Charta der Vereinten Nationen' ausgedrückt werden.

5. Und in diesem Fall haben die Vereinten Nationen, diese Beschränkungen respektierend und im Rahmen ihrer eigenen Rechtsprechung verbleibend, die rechtmäßige Regierung Jugoslawiens aufgefordert, ihren Verpflichtungen nachzukommen (UN-Sicherheitsratsresolutionen Nr. 1160/ 31.3. 1998 und 1199/23.9.1998). Aber hinter den Kulissen tauchte die Militärallianz NATO in einer eigenmächtigen Rolle auf; sie hatte keinerlei Zuständigkeit - noch hätte sie eine haben können -, sich in diese Angelegenheit derart einzumischen, daß sie zunächst ein anmaßendes und die Souveränität Jugoslawiens mißachtendes Ultimatum diktierte und schließlich einen Angriffskrieg gegen diesen Staat begann mit der Forderung, sich der NATO zu unterwerfen. Dieser Angriff wird von verdunkelnder Propaganda begleitet, die versucht, mit der Misere der Flüchtlinge die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von der Verletzung des internationalen Rechts abzulenken.

6. Die juristische Bedeutung dieser Aktion sollte weder kaschiert noch unterschätzt werden. Mit ihrem bewaffneten Angriff haben die NATO-Länder nach der Charta für den Internationalen Gerichtshof, die sich auf die Genfer Konvention vom 12. August 1949 bezieht (UN-Dokument A/CONF/183/9), folgende internationale Verbrechen begangen, insbesondere:

a) das Verbrechen, einen Angriffskrieg zu führen mit der gewaltsamen Zerstörung menschlichen Lebens, kultureller Denkmäler und ganzer Siedlungen;

b) das Verbrechen des Völkermordes durch die gezielte Zerstörung der Infrastruktur der serbischen Gesellschaft und dadurch der Herbeiführung von Umständen, die zu ihrer physischen Auslöschung führen und

c) das Verbrechen der ökologischen Zerstörung durch den Einsatz von militärischer Technologie gegen die Volksgesundheit und die Natur, ein Verbrechen, das auch gegen dritte Staaten begangen wird, die ebenfalls von tödlicher Umweltverschmutzung betroffen sind.

7. Während des jüngsten Gipfels in Washington versuchte die Führung der angreifenden NATO-Länder, Bestimmungen ihrer Charta zu verändern, um sie autonom hinsichtlich ihres Angriffs auf Jugoslawien zu machen, aber auch ihren Plänen für die Zukunft zu entsprechen, die darauf abzielen, sogenannte Frieden schaffende und humanitäre Interventionen unter dem Vorwand des »Krisenmanagements« durchzuführen. Dieser Versuch war jedoch vergeblich. Das einzig gültige »Krisenmanagement« sind und bleiben nach internationalem Recht die Vereinten Nationen, und keine andere Organisation, die der Definition nach untergeordnet ist, kann diese Rolle beseitigen oder einnehmen. Die NATO kann nicht einfach internationales Recht aufheben, noch kann sie neue, allgemein akzeptierte Regeln des internationalen Rechts schaffen. Ihre neue Charta betrifft nur jene Staaten, die sie unterzeichnet haben. Und selbst, wenn sie von den nationalen Parlamenten ihrer Mitgliedstaaten unterzeichnet wird, ist sie lediglich der Ausdruck von Intentionen von 19 Staaten von insgesamt 158 auf dem Planeten. Die übrigen Staaten werden diese Verfälschung und Verhöhnung des internationalen Rechts nicht tolerieren. Sie lehnen die Theorie ab, daß Macht Recht hat - ob offen oder versteckt. Und kleine Länder wie Griechenland werden in Gefahr sein, wenn sie Rechte aufgeben, die über Jahrhunderte hinweg nicht in Frage gestellt wurden. Die Wahrheit ist, daß der NATO-Angriff auf Jugoslawien eine Periode der Rechtlosigkeit, der Willkür in die internationalen Beziehungen eingeführt hat. Wir kehren zur Ära der 'Heiligen Allianz' und der 'Achse' zurück, gegen die die Menschheit, und besonders die Griechen, unter so großen Opfern gekämpft haben.

8. Indem Griechenland in diese Krise involviert wurde hat es keine andere Option, als das zu tun, was ihm seine Kultur und Verfassung diktieren, nämlich den allgemein anerkannten Regeln des internationalen Rechts zu folgen, nach der Festigung des Friedens zu suchen und seine Streitkräfte nur zu Verteidigungszwecken einzusetzen(Art. 2 Paragraph 2 und Artikel 4 Paragraph 6 der Verfassung). Im Licht dieser Bestimmungen der Verfassung Griechenlands und den Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen, ist es möglich, die Bestimmungen von Artikel 27 Paragraph 2 und 28 Paragraph 3 der Verfassung so zu interpretieren, daß es für ausländische Truppen möglich ist - nachdem ein gesondertes Gesetz verabschiedet wurde -, sich vorübergehend in Griechenland aufzuhalten, durch sein Territorium zu reisen oder daß es sogar möglich ist, die nationale Souveränität zu beschränken. Diese Bestimmung könnte jedoch nur in Bezug auf die griechische Beteiligung an einem Verteidigungskrieg eingeführt werden, keineswegs jedoch, um einen Angriff auf einen dritten Staat zu ermöglichen. Als Konsequenz ergibt sich, daß die Beteiligung Griechenlands an dem anhaltenden Krieg gegen Jugoslawien auch nicht gesetzlich geregelt werden kann, da eine entsprechende Gesetzgebung in jeder Hinsicht gegen die Verfassung verstoßen wird.«

Die Unterzeichner dieser Stellungnahme sind - neben dem stellvertretenden Vorsitzenden Dekleris - folgende Mitglieder des griechischen Staatsraates: St. Saravalasis, Ioanna Mari, Dim. Kostopoulos, Evdoxia Galanou, Sot. Rizos, Pan. Pikrammenos, Nik. Sakellariou, Th. Papaevangellou, Nik. Rozos, Dion. Marinakis, St. Haralambos sowie die beigeordneten Richter Maria Karamanov, Ekaterini Christoforidou, I. Kapelousos, Dim. Alexandris, Eleni Anagnostopolou, Euth. Antonopoulos, Varvara Kapitsi, Theo. Aravanis


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