Logo Geheim 4/1998

Neue Bücher - Rezensionen - Hinweise - Tips

Opperskalski, Michael. Mossad-Israels Auftragskiller und Geheimagenten. Münster: Unrast-Verlag, 1998.

Mossad-Israels Auftragskiller und Geheimagenten ist das neueste Werk aus der Feder des GEHEIM-Redaktionsmitglieds Michael Opperskalski. Der Klappentext verkündet eine aktuelle Einführung in die Politik und Geschichte des israelischen Geheimdienstes MOSSAD. Das Buch hält, was es verspricht, auch wenn der geringe Umfang (158 Seiten) zunächst Zweifel aufkommen läßt. Andere Bücher über diverse Geheimdienste sind fast doppelt so umfangreich, aber Opperskalski zeigt, daß weniger manchmal mehr ist. Die obligatorischen MOSSAD-Stories über die Eichmann-Entführung und diverse andere spektakuläre, aber mittlerweile sattsam bekannte Aktionen, hat er zurechtgestutzt und sie zu dem gemacht, was sie sind: Erfolge, die zu Legenden gemacht wurden. Das romanhafte fehlt diesem Buch, denn dem Autor geht es um die Struktur, Arbeitsweise und Politik des MOSSAD. Ein 1979 in der US-Botschaft Teheran gefundenes CIA-Dokument über Israels Auslands-Geheimdienst verschafft den nötigen Einblick. Ein Kapitel über seine Präsenz und Aktionen in Lateinamerika und Afrika sorgt für den Überblick auch jenseits des Nahen Ostens. Die angehängten Literaturangaben führen zum Einstieg ins israelische Geheimdienstlabyrinth. Zu einem abschließenden Urteil kommt Opperskalski nicht, denn das Buch ist eine Darstellung der aktuellen Situation und kann den interessierten LeserInnen zur besseren Orientierung dienen. Wer nach den konkreten Geschichten und ihren Hintergründen sucht, wird enttäuscht sein - oder sich aufgefordert fühlen, selbst zu suchen. Wem das zu gefährlich erscheint, weil der MOSSAD nicht zimperlich in seinen Methoden ist, hält auf jeden Fall eine interessante Publikation in Händen, die zum Nachdenken über die aktuelle politische Situation und das Agieren von Geheimdiensten einlädt. (IN & CH)

Der Chef

Schenk, Dieter. Der Chef. Horst Herold und das BKA. Hamburg, Spiegel-Buchverlag, Hoffmann & Campe-Verlag, 1998.

Der Chef. Horst Herold und das BKA ist ein Buch, das erst Anfang dieses Jahres, also geraume Zeit nach der Publikationswelle zum 20. Jahrestag des Deutschen Herbstes (1977) auf den Markt gekommen ist. Autor dieser über 540 Seiten zählenden Biographie ist der ex-BKAler und Schriftsteller Dieter Schenk. Seine Herold-Biographie hebt sich von den sonst unter ehemaligen Geheimagenten und Polizisten üblichen Selbstbeweihräucherungen ab. Der Mensch Herold erscheint vor dem politischen Hintergrund seiner Zeit, dem der Polizist Herold seinen beruflichen Aufstieg und Niedergang verdankt. Die Lektüre des Buches bietet nicht nur einen Blick hinter die Kulissen der deutschen Innenpolitik der 70er und 80er Jahre und in die Polizeiarbeit, sondern sie lädt auch ein, sich mit den gesellschaftlichen Ideen des politisch denkenden Polizeichefs Herold auseinanderzusetzen. Schenk liefert hierfür eine Menge Material und allein die Tatsache, daß seine Bibliographie über hundert von Herolds Veröffentlichungen aufzählt, unterstreicht ihren Wert für eine eingehendere Beschäftigung mit jenem Mann, der das BKA zur wichtigsten Kontrollbehörde der Bundesrepublik machte. Aber Schenks Buch hat nicht nur historischen Charakter, sondern wirft auch eine sehr aktuelle Frage auf: Wofür braucht man eigentlich den VS, wenn das BKA ohne weiteres seine Aufgaben übernehmen könnte? Wer diese Frage zugunsten der Wiesbadener Behörde beantworten möchte, findet in Schenks Werk die entsprechenden Argumente. (IN & CH)

Tops und Flops - Die Geschäfte der US-Geheimdienste

»Tops und Flops - Die Geschäfte der US-Geheimdienste«, Dr. Klaus Steiniger, Elefanten Press, Berlin 1998, DM 34,90

Ein informatives und dank des lebendigen Schreibstils zugleich auch unterhaltsames Buch. Detailliert beschreibt Steiniger Arbeit, Aufgaben und Methoden der verschiedenen US-Geheimdienste. Neben der weltweit bekannten »Firma« CIA, widmet sich der Autor auch ausführlich den unbekannteren US-Diensten, wie NSA, FBI, DIA oder IRS. Eine offenbar umfangreiche Auswertung englischsprachiger Presse (insbesondere aus den 80er Jahren) trägt dazu bei, daß das Buch mit interessanten Belegstellen gespickt ist. Sie zeigen wie erfolgreich der amerikanische Geheimdienstapparat teilweise die Öffentlichkeit manipuliert hat, um den US-Einfluß in aller Welt zu sichern.

Doch Klaus Steiniger berichtet auch von den zahlreichen Flops der US-Dienste, die trotz jährlicher Zuwendungen von ca. 30 Milliarden Dollar nicht allmächtig sind. Und wem es bislang noch nicht deutlich war, dem wird nach der Lektüre klar: es gibt kaum einen Staat, bei dem die Diskrepanz zwischen öffentlich vorgetragenem moralischen Anspruch und der Praxis weiter auseinanderläuft, als bei den USA. Das äußerst interessante Vorwort zum Buch schrieb Rainer Rupp (alias TOPAS), der Top-Spion der DDR im NATO-Hauptquartier in Brüssel war und 1994 wegen seiner Agententätigkeit zu 12 Jahren Haft verurteilt wurde. Etwas jedoch fehlt: Was sich mancher Leser sicherlich gewünscht hätte, wäre ein aktuelle Ausblick auf die Entwicklung der us-amerikanischen Geheimdienstgemeinde, insbesondere die Reorganisation der Tätigkeiten von CIA, NSA und FBI vor dem Hintergrund der sog. »Neuen Weltordnung«. (C.H.)

»Here lies ...«

Epitaph auf einen Aufklärer

Eric Ambler ist tot. Der Genosse Bürger, Aufklärer, uomo illuministe, versuchte »den Leuten zu erklären, wie es zugeht in der Welt« (Ambler über Ambler).

Kaum war das Atom gespalten, schrieb er seinen Roman gegen die Bombe. Als England und alle Welt im Krieg keinen Unterschied mehr machten zwischen Deutschen und deutschen Deutschen, schrieb und veröffentlichte Ambler antifaschistische Romane und Kurzgeschichten über den deutschen Widerstand gegen Terror, Verfolgung und Krieg. Als von Autokraten wie Wyschinski um den Verstand gebrachte kommunistische Zentralkomitees Kommunisten wie Bucharin, Paschukanis oder Rjasanow, um nur drei Namen zu nennen, bedenkenlos um Ehre, Freiheit und Leben brachten, schrieb er seine Romane gegen diese revolutionäre Paranoia, lange vor den später fälligen Rehabilitationen und Ehrungen, für Leser einer Zeitschrift wie der unseren vielleicht zusammenzufassen in dem Namen Paul Merker.

Die Vergangenheit und Gegenwart Europas und der Dritten Welt vom Standpunkt des humanistischen Außenseiters mit heißem Herzen ins helle Licht gehalten, gesehen mit dem kalten Blut und den klaren Augen des Ingenieurs, beschrieben in der lakonischen Sprache nicht des Besserwissers, aber des Bescheidwissers, dargeboten in kunstvoller Form, listig unter dem Deckmantel des Spionageromans, ohne Widerspruch zwischen Spannung und Aufklärung.

Eine Kostprobe aus Journey into Fear (dt. Die Angst fährt mit, Diogenes, Zürich 1975, Werkausgabe Band 6, S. 93ff), sein Blick auf den Großen Krieg von 1914 bis 1918 im Augenblick des beginnenden nächsten, der Roman erschien 1940, soll das Gesagte illustrieren:

(Eine internationale Gesellschaft Schiffsreisender als Passagiere auf einem Frachter von der Türkei über Frankreich nach England, natürlich fehlt in dem bunten Strauß der Personen auch die geheimnisvoll-laszive Varieté-Tänzerin nicht, setzt sich im Gespräch mit der internationalen Lage auseinander.)

»Und wissen wir denn überhaupt, gegen wen wir kämpfen werden und wo? Es gibt eine Front im Osten und eine im Westen. Wir kennen die Wahrheit nicht. Die wird sich erst nach dem Krieg herausstellen.«

»Es ist nicht an uns, Fragen zu stellen«, sagte seine Frau.

Mathisï Mund verzog sich, und in seinen braunen Augen lag die Bitterkeit von Jahren. »Du hast recht. Wir dürfen keine Fragen stellen. Warum? Weil die einzigen, die sie uns beantworten könnten, die Bankiers und die Politiker da oben sind - die mit den Aktienanteilen an den großen Fabriken, die Kriegsmaterial herstellen. Die antworten uns nicht. Warum? Weil sie wissen, daß die französischen und englischen Soldaten nicht kämpfen würden, wenn sie die Wahrheit wüßten.«

Seine Frau lief rot an. »Du bist verrückt. Selbstverständlich werden Frankreichs Männer kämpfen, um uns gegen die dreckigen boches zu verteidigen.« Sie sah Graham an. »Man darf nicht sagen, Frankreich würde nicht kämpfen. Wir sind nicht feige.«

»Nein, aber wir sind auch nicht dumm.« Mathis wandte sich rasch an Graham. »Haben Sie schon mal von Briey gehört, Monsieur? Aus den Gruben im Gebiet von Briey kommen 90% von Frankreichs Eisenerz. 1914 sind diese Gruben den Deutschen in die Hände gefallen., und die haben sie tüchtig ausgebeutet und sich dort das Erz geholt, das sie brauchten. Nach dem Krieg haben sie zugegeben, daß sie ohne dieses Eisenerz von Briey schon 1917 erledigt gewesen wären. Ja, sie haben Briey tüchtig ausgebeutet, das können sie mir glauben. Ich war in Verdun. Jede Nacht haben wir den Feuerschein am Himmel beobachtet - von den Hochöfen von Briey, die nur ein paar Kilometer vor uns lagen, den Hochöfen, die die deutschen Geschütze speisten. Unsere Artillerie und unsere Bombenflugzeuge hätten diese Hochöfen innerhalb einer Woche in Schutt und Asche legen können. Aber unsere Artillerie ist stumm geblieben; ein Flieger, der eine einzige Bombe über dem Gebiet von Briey abgeworfen hat, ist vors Kriegsgericht gekommen. Warum?«

Er hob die Stimme. »Ich willïs Ihnen sagen, Monsieur. Weil es einen Befehl ab, daß Briey nicht angerührt werden sollte. Von wem kam der Befehl? Das wußte niemand. Er kam von jemandem da oben. Das Kriegsministerium sagte, er sei von den Generälen gekommen, die Generäle sagten, er sei vom Kriegsministerium gekommen. Wieïs wirklich war, haben wir erst nach dem Kriege erfahren. Der Befehl stammte von Monsieur de Wendel vom Comité des Forges, dem die Gruben und Hochöfen von Briey gehörten. Wir haben um unser Leben gekämpft, aber unser Leben war nicht so wichtig wie der Besitz des Monsieur de Wendel, der erhalten bleiben sollte, der fetten Profite wegen. Nein, es ist nicht gut, wenn die, die kämpfen, zuviel wissen. Große Reden - ja! Die Wahrheit - nein!«

Seine Frau kicherte. »Es ist immer dasselbe. Sobald jemand auf den Krieg zu sprechen kommt, fängt er von Briey an - von etwas, das vor vierundzwanzig Jahren passiert ist.«

»Warum denn nicht?«, fragte er. »So viel hat sich doch gar nicht geändert. Wenn wir solche Geschichten erst zu hören bekommen, nachdem sie passiert sind, so heißt das doch nicht, daß im Augenblick keine solchen Geschichten passieren.« .

Hollywood? Ja, auch Hollywood. An Hollywood war ihm aber weit weniger wichtig, daß er mit der Maske des Dimitrios die Folie entworfen hatte für Orson Wellesï viel berühmteren Citizen Kane, als vielmehr die Erinnerung »an das Jahr meines Lebens, das ich damit vergeudet habe, die historischen Fakten soweit umzuschreiben, daß die kindischen Fantasien Marlon Brandos darin Platz fanden.«
- Es ging ihm stets weniger um die Form als um den Inhalt.

Einen solchen Autor ehrt man, indem man ihn liest. Wer Eric Ambler liest, ehrt auch sich selber. Ehren wir ihn und uns.

Es gibt eine Werkausgabe in Taschenbüchern bei Diogenes in Zürich. Dort gibt es ebenfalls Aufschlußreiches »Über Ambler. Von Hitchcock bis Heissenbüttel«; und dort gibt es Autobiographisches. Der englische Titel: »Here lies ...« Liebenswert.


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