Logo Geheim 4/1998

Kommunist - Antifaschist - Revolutionär
Einer von Tausenden: Eugen Schönhaar zum 100. Geburtstag am 30.10.1998

Vor 65 Jahren, Mitte November 1933, schlug das Nazi-Regime gegen die Führung der blutig unterdrückten und verfolgten Kommunistischen Partei Deutschlands zu. In einer Blitzaktion wurden der Nachfolger Ernst Thälmanns als Führer der illegalen Partei, der 38jährige Hamburger Reichstagsabgeordnete John Schehr und drei seiner engsten Mitarbeiter im zentralen Apparat, Eugen Schönhaar, Rudolf Schwarz und Erich Steinfurth, in Berlin verhaftet.

Ihr Leidensweg durch die Folterhölle der Gestapo, die von den halbtot Gequälten keine Aussagen gegen Thälmann und keinerlei Informationen herausholen konnte, fand sein Ende, als sie in der Nacht vom 1. auf den 2. Februar 1934 meuchlings (»auf der Flucht erschossen«) ermordet wurden. Ob dies am sogenannten Kilometerberg in Berlin-Wannsee oder bereits in der berüchtigten »Prinz-Albrecht-Straße« geschah, ist ungeklärt geblieben. Erich Weinert hat diesem ersten illegalen Kern der Parteiführung, der den Nazischergen zum Opfer fiel, mit seinem Gedicht »John Schehr und Genossen« noch 1934 ein bleibendes Denkmal gesetzt. Dem internationalen Protest gegen den Meuchelmord gab die Trauer- und Solidaritätsadresse des Präsidiums den Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale Ausdruck.

Eugen Schönhaar, verhaftet am 11.11.1933, knapp 2 Wochen nach seinem 35. Geburtstag, war einer der Leiter den technischen Apparats des Zentralkomitees, verantwortlich für den gesamten zentral gesteuerten Druck und vertrieb kommunistischen Materials gegen die Nazis. Noch über seinen Tod hinaus - bis 1935 - erschienen hunderttausende Exemplare, deren Druck und Verbreitung in der Illegalität er im Auftrag der Partei angesichts drohender faschistischer Diktatur seit August '32 vorbereitet hatte.

Im März '29 zum Mitarbeiter des ZK der KPD berufen, wurde Eugen Schönhaar einer der unzähligen Helden des antifaschistischen Widerstands, in dem die Kommunisten - vor und nach der Nachtübergabe an die Nazis - die Hauptlast des Kampfes trugen.

Einem Gestapobericht über das Jahr 1935 ist bezüglich des politischen Widerstands zu entnehmen: »Es wurden festgenommen: Sept. - wegen marxistischer Umtriebe im weiteren Sinne 1.626 Personen, hiervon wegen kommunistischer Umtriebe 1.429 Personen; Okt. - wegen marxistischer Umtriebe 1.619 Personen, hiervon wegen kommunistischer Umtriebe 1.325 Personen.« In der KPD-unverdächtigen »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« vom 15. Juli 1998 ist darüber zu lesen: »Der politisch motivierte Widerstand war zu 75 Prozent kommunistischer, zu 10 Prozent sozialdemokratischer und nur zu 3 Prozent christlich-bürgerlicher Widerstand.« Angesichts der Tatsachen hat sich der Leiter der »Gedenkstätten Deutscher Widerstand«, Peter Steinbach, dagegen gewandt, den antifaschistischen Widerstand auf die Attentäter den 20. Juli 1944 zu beschränken: »Im Grunde versuchen ganz kleine, sehr konservative Kreise aus dem Umkreis des 20. Juli das Bild dem Widerstands zu beeinflussen.« Steinbach würdigte ausdrücklich die Rolle der Kommunisten, »von denen 150.000 von den Nazis verfolgt worden seien« (dpa-Meldung in »Das Parlament«, 24.7.98).

Wie wurde Eugen Schönhaar, in seiner Heimatstadt (noch) ungewürdigt, dessen Urne aber samt Gedenktafel im Rund der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde von seiner letzten Ruhestätte kündet, nach dem eine Straße in Berlin-Prenzlauer Berg benannt ist und dessen Namen sowohl eine Oberschule als auch eine Einheit der Nationalen Volksarmee der DDR trug, zum unbeugsamen sozialistischen Revolutionär.

Es waren das sozialistische Elternhaus, die Umstände und sein konsequenter Charakter. Von seiner Feinflaschnerlehre an wurde er geprägt durch den Kampf gegen den 1. Weltkrieg, für eine Welt des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit, für den Sozialismus: in der sozialistischen Jugend, der Spartakusgruppe, durch Antikriegsaktionen. 1916 drei Monate Gefängnis, 1917 vier Wochen, Anfang 1918, bereits beim Militär, 9 Monate. Befreit durch die Novemberrevolution ist er gleich aktiv beim Arbeiter- und Soldatenrat und den Kämpfen in Stuttgart.

1919 wieder in der Maschinenfabrik Esslingen (ME), einem der mit 12.000 Beschäftigten tonangebenden Betriebe des Gebiets, wird er Mitglied der KPD und Vorsitzender der Esslinger Freien Sozialistischen Jugend. Ein leidenschaftlicher und überzeugender Redner, der auch mit seiner Tat ein Beispiel gibt, ist er mit erst 20/21 Jahren als Mitglied des Aktionsausschusses der ME führend am Württembergischen Generalstreik 1919 beteiligt (wofür er 1920 acht Monate Gefängnis bekommt, wovon fünf verbüßt und drei aufgeschoben sind). Nach Einsatz konterrevolutionärer Truppen, flieht er nach München und nimmt dort an den letzten blutigen Abwehrkämpfen der Münchner Räterepublik teil. Schon im März 1920 finden wir ihn wieder bei der ME führend beim Generalstreik gegen den Kapp-Putsch und im Sommer 1920 als Leitendes Mitglied des Esslinger Bezirks-Aktionsausschusses beim großen Steuerabwehr-Generalstreik der württembergischen Arbeiter.

Der Dezember 1920 markiert für den inzwischen 22 Jahre jungen Kommunisten einen neuen Abschnitt seines Lebens. Esslingen bleibt zurück es geht in zentrale Gefilde. Der 5. Reichskongreß der Kommunistischen Jugend Deutschlands in Berlin wählt ihn in die Zentrale, wird er Redakteur ihres Zentralorgans »Die Junge Garde«; der II. Kongreß der Kommunistischen Jugendinternationale (KJI) in Moskau 1921 in ihr Exekutivkomitee, zur Arbeit in dessen Berliner Büro. Sowohl beim II., als auch 1922 als Delegierter des III. Kongresses der KJI, nimmt der junge Revolutionär als Gast an den Beratungen der jeweils davor stattfindenden Weltkongresse der Kommunistischen Internationale (KI), des III. und den IV., teil. Er erlebt Lenin, den »Führer der Weltrevolution«, dessen und Marxens Schriften er begeistert und gründlich gelesen hat, nun hautnah.

Schon ein Jahr später, im Dezember 1923, betraut die Partei den trotz seiner Jugend in Kämpfen gegen Krieg und Konterrevolution Erfahrenen, mit einer neuen Aufgabe. Er wird insbesondere mit dem Schutz, dem Vermitteln und Unterbringen von Opfern der Konterrevolution aus ost- und mitteleuropäischen Ländern betraut.

Das Exekutivkomitee der auf Beschluß des IV. Kongresses der KZ gegründeten Internationalen Roten Hilfe (IRH) in Moskau beruft ihn zum Leiter ihrer Mitteleuropäischen Vertretung (MEV), später Mitteleuropäisches Büro (NEB), in Berlin. Deutschland, die Tschechoslowakei, Österreich, die Schweiz, aber auch westeuropäische Länder gehören zu seinem vielfältigen Aufgabenbereich. Beachtlich dabei sein Anteil an der Entwicklung auch der Roten Hilfe Deutschlands (RHD), die am 1.11.24 mit Wilhelm Pieck als Vorsitzendem gegründet wurde.

Daß Eugen trotzdem versucht, sich »normale Lebenselemente« zu schaffen, zeigt seine Heirat mit der Schweizerin Odette aus Lausanne, die zeitweilig Sekretärin des MEB der IRH in Berlin ist, und die Geburt seines Sohnes Carlo, der am 20.11.1924 in Stuttgart-Hedelfingen das Licht der Welt erblickt.

Da die Emigrantenvermittlung in Wohnungen und gegebenenfalls ins Ausland, zum Schutz der Betroffenen auch vor deutschen Behörden, konspirativ erfolgen mußte, war die Arbeit der IRH ständig gefährdet, hatte sie auch getarnte Büroräume. Erst nach dreieinhalb Jahren erfolgreichen Wirkens des MEB der IRK konnte die Polizei aufgrund eines anonymen Schreibens eines der Büros beschlagnahmen und eine Hetzjagd wegen angeblicher Vorbereitung zum Hochverrat auf Eugen Schönhaar beginnen.

Der Berliner Polizeipräsident beschreibt ihn steckbrieflich: »Dissident, 28 Jahre alt, 1,72 groß, Haare blond, Stirn gewöhnlich, Augenbrauen blond mittelstark, Augen blau, Nase und Mund gewöhnlich, ohne Bart, Kinn gewöhnlich, Gesichtsbildung oval, gebräunte Gesichtsfarbe, untersetzte Gestalt«. Wegen drohender Verhaftung arbeitet Eugen ab Juli 1927 wieder beim Exekutivkomitee der IRH in Moskau, von wo er ein Jahr später für neun Monate zwecks Ausbau der IRH in die USA reist.

Die Rückkehr im März 1929 nach Deutschland (amnestiert 1928) bringt ihn wieder zu seiner Familie, zu Odette und Carlo. Das Glück ist von kurzer Dauer. Vier Jahre später senkt sich die braune Nacht über Deutschland, beginnt der Kampf der KPD in der Illegalität. Im September 1933 geht Odette mit ihrem 9jährigen Sohn zu ihren Eltern nach Lausanne. Da ihr die Schweizer Behörden nach Eugens Ermordung die Aufenthaltsgenehmigung entziehen, muß sie, um einer Abschiebung nach Deutschland zu entgehen, mit Carlo nach Frankreich fliehen, wo sie illegal lebt. Nach der Besetzung Nordfrankreichs durch die Nazitruppen schließt sich der 17jährige Carlo dem Widerstandskampf gegen die Mörder seines Vaters an. Er ist in der Résistance Mitglied der Gruppe »Fabien«, einer Jugendgruppe der »Francs-Tireurs et Partisans«. Gleich am Tag nach seiner Verhaftung, dem 5.3.1942, wurde auch Odette festgenommen und über das Gefängnis »La Santé« in Paris und nach 6 Monaten Gestapohaft in Berlin in das KZ Ravensbrück verschleppt. Von den Todesurteilen im Schauprozeß eines deutschen Kriegsgerichts, von der Erschießung ihres Carlo und seiner 14 französischen Genossen am 17. April 1942 auf dem Mont Valérien in Paris, erfuhr Odette erst in Berlin. Carlo war erhobenen Hauptes den Weg seines Vaters gegangen. Odette überlebte und arbeitete nach 1945 bei der Zeitung der FKP, der »L'Humanite« in Paris.

Pospiech, Friedrich


Startseite | Inhaltsverzeichnis | Archiv | InfoLinks

© HMTL-Generator © 1997 U. Pieper