Logo Geheim 4/1998

Geheimdienste abschaffen, nicht kontrollieren
Aus Bonn

Im Gewalt- und Geheimdienstapparat Deutschlands ist bekanntlich einiges in Bewegung, von der Anpassung nationaler militärischer Strukturen an den Anspruch weltweiter Wahrung deutscher Interessen über die Beteiligung am Aufbau europäischer Instrumente der Inneren und Äußeren Sicherheit bis zur Neudefinition der Rolle Deutschlands in internationalen Organisationen der Sicherheit und Zusammenarbeit. Im Zuge dieser Entwicklung deutet alles, neben EUROPOL (FBI), auch auf den Aufbau neuer militärischer Geheimdienstinstitutionen hin (WEU).

Alte Einrichtungen verändern ihre Rolle und ihr Verhältnis zueinander: z.B. BND, ANBw und MAD im militärischen Bereich, BfV und BKA im Staatsschutzbereich (FBI-Modell).

Es vollziehen sich parallel zueinander sowohl der Ausbau und die Erweiterung der Kompetenzen der institutionalisierten Sicherheit als auch die Ausweitung des Geheimbereichs innerhalb der Verwaltungen insgesamt, nicht zu reden von dem Auf- und Ausbau der privatwirtschaftlich organisierten Sicherheit. In diesem Zuammenhang steht, wenn auch nicht explizit, die Diskussion um die Reform der parlamentarischen Kontrolle der Dienste. Hier sollen nicht die unterschiedlichen Modellvorstellungen diskutiert werden, sondern die Frage, wie sich linke Politik zu Geheimdiensten überhaupt und zu ihrer parlamentarischen Kontrolle verhält. Am deutlichsten werden die unterschiedlichen Standpunkte in dieser Frage zurZeit in der Diskussion und Praxis der PDS, in der Partei, in den Länderparlamenten und neuerdings eben auch im Bundestag. Wir haben den Parlamentarischen Geschäftsführer der PDS im neuen Bundestag, Roland Claus, um eine kurze Situationsbeschreibung gebeten. Hier ist sie. (hpb)

Die vielfältigen Ankündigungen, wonach die PDS-Fraktion im Bundestag einen Sitz in einer Art »Mega-PKK« (Parlamentarische Kontroll-Kommission) erhalten soll, haben den Streit über Sinn und Unsinn der parlamentarischen Kontrolle von Geheimdiensten erneut in Gang gebracht.

In der PDS sind die Meinungen dazu so verschieden wie überhaupt möglich. In Sachsen ist die PDS-Fraktion bis vors Bundesverfassungsgericht gezogen, um in das Kontrollgremium zu gelangen. In Brandenburg sitzt sie von Anfang an mit am geheimen Tisch. In Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg-Vorpommern hat die PDS ihre Mitwirkung in der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) verweigert. 1994, ganz am Anfang der Tolerierungsgeschichte von Magdeburg, stand das Angebot von SPD und Bündnis 90/Grünen, die PDS könne und solle bei der Verfassungsschutzkontrolle mitmischen. Ehe die CDU sich öffentlich darüber aufregen konnte, hatte die PDS schon abgelehnt.

Die Entscheidung des Landesvorstands und der Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt entsprach exakt meinem damaligen Vorschlag.

Seit der Konstituierung des Landtages von Sachsen-Anhalt war ich bis zu meinem Ausscheiden 1998 innenpolitischer Fraktionssprecher der PDS. Von daher war ich von Anfang an an der Debatte in der PDS über Geheimdienste beteiligt, die sich, wie viele andere Diskussionen auch, als eine nachholende geistige Erneuerung vollzog. Schließlich ist die PDS nicht aus einer der West-Linken vergleichbaren Ost-Linken entstanden.

Die konträren Positionen wurden auf der einen Seite von Michael Schumanns »Ja zur PKK-Beteiligung« und auf der anderen Seite von meiner Verweigerungs-Begründung besetzt.

Die Gründe für meine Ablehnung der PKK-Beteiligung sind nicht wesentlich andere, als sie aus linken Diskursen weitgehend bekannt sind.

Die PKK-Gesetze verpflichten die an der parlamentarischen Kontrolle Beteiligten in hohem Maße zur Geheimhaltung ihrer in den Kontrollgremien gewonnenen Erkenntnisse. Damit wird die öffentliche Kritik an staatlich legitimierter Geheimdiensttätigkeit ausgeschlossen oder auf den Weg der Indiskretion gebracht. Zudem kollidiert die politische Zielsetzung, Geheimdienste auflösen zu wollen, mit der Beteiligung an deren vermeintlicher Kontrolle.

Die Mitwirkung in Parlamentarischen Kontrollkommissionen ist letztendlich eine Art Legitimation für den Fortbestand der geheimen Dienste. Entweder sind Geheimdienste geheim, oder unter Kontrolle. Beides zusammen geht nicht.

Neu und interessant an der in der PDS vertretenen Position zur Verweigerung der PKK-Beteiligung ist, daß wir auch dann Nein gesagt haben, als uns ein Mitwirken angetragen wurde. Solange die Debatte über »hinein oder nicht« eine theoretisch abstrakte ist, die vor dem Background der Folgenlosigkeit abläuft, solange läßt sich trefflich über linke Ansätze streiten.

Linke Positionen gegen vorhandene Machtstrukturen auch dann zu vertreten, wenn ihre VertreterInnen die Beteiligung an diesen Strukturen angeboten wird, darin liegt die Bewährungsprobe für die Tauglichkeit vieler linker Alternativen.

Um nicht falsch verstanden zu worden: Ich setze mich in der PDS ausdrücklich für die Wahrnehmung von Gestaltungsspielräumen ein. Ich habe die Debatte über Regierungsbeteiligung auf Länderebene eröffnet und stehe für die Formel »Opposition mit gestaltender Verantwortung«. Das heißt aber noch lange nicht, im Falle praktizierter Beteiligung an staatlichen Strukturen alle auf Verweigerung beruhenden Alternativen gar nicht erst in Betracht zu ziehen.

Kreative linke Politik sollte sowohl den Gestaltungspart als auch die konsequente Abkehr von anzutreffenden Machtstrukturen beinhalten. Das trifft auf viele Politikressorts zu. So müßte die Bundesrepublik z.B. durch radikale Umverteilung staatlich verfügter Finanzen zugunsten kommunaler und selbstverwalteter Strukturen finanzpolitisch vom Wasserkopf auf die Füße gestellt werden. Die PDS sollte diesbezüglich aus der Entwicklung der GRÜNEN ihre Lehren ziehen. Ich verdamme den Werdegang der GRÜNEN nicht, aber niemand hindert uns daran, Fehler, die wir dort erkennen, zu vermeiden. In diesem Sinne werde ich sicher, (noch ) in einer Minderheitsposition, in meiner Fraktion dafür werben, die angebotene Beteiligung an der »Mega-PKK« auszuschlagen.

Roland Claus, MdB, ist parlamentarischer Geschäftsführer der PDS-Fraktion.

Claus, Roland


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