Logo Geheim 4/1998

Aus der Redaktion
Vor einer Zeit des Unwillens

Die Dreistigkeit der Polizei und der Dienste nimmt mit der Schafsnäsigkeit und Willfährigkeit der politischen Gremien zu. Da, wo Gesetzgebung nur noch wenig mehr ist als Synonym für Akzeptanzbeschaffung obrigkeitsstaatlicher Formierung mit dem Macht- und Bewegungszentrum irgendwo, aber nicht in den Parlamenten, und Politik sich ihre Grenzen von der Verwaltung definieren läßt, Kontrollrechte über die Verwaltung und Entscheidungsbefugnisse an die Verwaltung abgibt (Ausnahmezustand als Normalzustand: SüG, verdachtsunabhängige Kontrollen, Lauschangriff, EUROPOL, darfïs etwas mehr sein?), darf das nicht wundern.

Das schafft Verdruß. Nicht nur melden sich Bürgerrechtsorganisationen zu Wort, immer mehr wird auch Unwillen von anderen Betroffenen laut:

Berlin wird zum Führungsbunker. Berliner nehmen das nicht hin. (Siehe »Prokla« und »Unbequem«)

In Köln werden die Sozialbewegungen gegen die Gipfel im kommenden Jahr vom Staatsschutz unter offene Beobachtung gestellt - mit den damit verbundenen Drohungen (s.u. Dokument Seite 13). Die Betroffenen werden das nicht hinnehmen. Die Diskussion hat begonnen.

In Thüringen bahnt sich ein Konflikt an zwischen DGB und »Landesamt für Verfassungsschutz« wegen der Bespitzelung der Sozialbewegung durch die Staatsschutzbehörde. (Demnächst in dieser Zeitschrift)

Aus den vergangenen Jahren bleiben die Erfahrungen der begonnenen Auskunftskampagne und der Solidaritätskampagnen. (vgl. die vergangenen Ausgaben dieser Zeitschrift) Da sind noch lange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.

Zuletzt können wir uns nicht vorstellen, daß die Ordnungspolizeien kein wachsames Auge verdient hätten. Man hört kaum etwas davon, es sei denn, der ehemalige Weltkriegsleutnant Helmut Schmidt äußert sich aus Gründen der Inneren Sicherheit gegen ein Mahnmal in der Berliner Mitte, das dem Straßenkämpfer Schmidt zu viel Deckung bietet. (Die Weltkriegsleutnants werden alt und keiner warnt sie, verbietet ihnen den Mund. Siehe ähnlich Iring Fetscher im Heft S. 12). Man beobachtet aber, wie die Brennpunkte der Städte sich verändern, ungewohnte Schriftzüge auf gewohnten Blousons und ungewohnte Anträge auf gewöhnlichen Delegiertenversammlungen der ÖTV auftauchen. Was ist los?

Die Redaktion von GEHEIM bemüht sich, als Pool und Drehscheibe von Informationen über Erfahrungen und Aktivitäten zu dienen, hat aber durchaus auch Lust, Anstifterin zu sein. Alle, die Gesellschaft suchen beim »Unwillen«, haben in uns einen Ansprechpartner.

Fäden gibt´s reichlich, aber viel zu wenig Knoten.

Hinweis

Ein wichtiger Knoten ist geknüpft. Rolf Gössner hat einen Ratgeber für den Umgang mit dem »Apparat« geschrieben und veröffentlicht das Nachschlagewerk für den juristischen Laien unter dem Titel ERSTE RECHTS HILFE. Rechts- und Verhaltenstips für einen selbstbewußten Umgang mit Polizei, Justiz und Geheimdiensten. Das Buch erscheint Ende Januar 1999 im Göttinger Verlag DIE WERKSTATT.

PS: Die andere Hälfte der Walser-Rede begründete den Schlußsatz: »Ach, verehrter Herr Bundespräsident, lassen Sie doch Herrn Rainer Rupp gehen. Um des lieben Friedens willen.«


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