Logo Geheim 3/1998

Nachhilfe in Aufstandsbekämpfung. Wie der CIA Kolumbiens Narco-Paramilitärs förderte

An Ostern brachte die Tagesschau eine interessante, wenn auch absurde Nachricht: Falls das kolumbianische Militär weiterhin so versage wie jetzt, würden in fünf Jahren Kolumbiens linke Rebellen die Macht im Land übernehmen. So der CIA. Diese geschickt lancierte Meldung des US-Geheimdienstes steht vor dem Hintergrund, daß die Clinton Administration zur Zeit erwägt, die US-Militärhilfe, als Drogenbekämpfung verbrämt, aufzustocken. Es wird sogar eine militärische Intervention in Kolumbiens internen Konflikt diskutiert. Dies gegen den Widerstand demokratischer Strömungen in den USA, die vor den unheilvollen Folgen einer solchen Einmischung - siehe Vietnam oder El Salvador - warnen. Aber die USA mischen im schmutzigen Krieg Kolumbiens längst mit. Der US-Journalist Frank Smyth hat die obskuren Aktivitäten des CIA in Kolumbien recherchiert, der die rechten Paramilitärs fördert, die sowohl bei Menschenrechtsverletzungen wie im Drogenhandel eine gewichtige Rolle spielen.

Seit 1995 ist ein CIA-Eliteteam zur Drogenbekämpfung in Kolumbien im Einsatz, das von einer Frau kommandiert wird und vor allem aus jungen, kompetenten Technokraten besteht. Es war ausschlaggebend für die Verhaftung der wichtigsten sieben Führer des Cali-Kartells. Aber 1991 spielte ein anderes CIA-Team eine völlig andere Rolle. Weitaus mehr an der schmutzigen Aufstandsbekämpfung als an der Drogenbekämpfung interessiert, half diese Einheit, eine geheime antikommunistische Allianz zwischen dem kolumbianischen Militär und illegalen paramilitärischen Gruppen zu schmieden und zu finanzieren, von denen heute viele in den Drogenhandel verwickelt sind.

Obwohl der Kalte Krieg damals vorbei und die Hilfe des Ostblocks schon lange ausgetrocknet war, waren Kolumbiens linke Rebellen noch relativ stark. Die CIA-Offiziere wußten, daß die Paramilitärs - Zivilisten, die gewöhnlich von Militärs a.D. angeführt werden - die kolumbianische Armee mit plausiblen Dementis im Fall von Morden an mutmaßlichen Linken und anderen Gewaltverbrechen versorgen konnten. »Ein breites Netzwerk von bewaffneten Zivilisten begann zumindest teilweise Soldaten und Polizisten zu ersetzen, die leicht hätten identifiziert werden können«, schreibt Javier Giraldo, Jesuit und Gründer der kirchlichen Menschenrechtsorganisation Comisión Intercongregacional de Justicia y Paz. »Sie begannen auch damit, Methoden zu verwenden, die sorgfältig entworfen worden waren, um Geheimhaltung abzusichern und Verwirrung zu stiften.«

Aber weder der CIA noch eine andere US-Behörde gaben zu, daß sie weiter die kolumbianische Aufstandsbekämpfung unterstützten. Statt dessen behaupten US-Funktionäre, daß seit 1989 alle US-Unterstützung der Drogenbekämpfung gilt »Es gab eine heftige Debatte, wie man am besten Geld für Drogenbekämpfungsoperationen in Kolumbien (zuteilen könne)«, sagt US-Armeeoberst a.D. James S. Roach Jr., damaliger Militärattaché in der US Botschaft in Bogotá und gleichzeitig Verbindungsmann zur Defense Intelligence Agency (DIA) des Pentagon. »Die USA suchten damals nach einem Weg, zu helfen. Aber wenn man nicht selbst zu Kämpfer wird, muß man sich anderweitig helfen.«

Geplant, getan. Zunächst machte ein gemischtes Team aus der Militärberatungsgruppe der US-Botschaft in Bogotá, dem US-Südkommando in Panama, der DIA in Washington und der CIA in Langley, Empfehlungen, die Nachrichtendienste von Kolumbiens Militär zu überholen. Dann stellte der CIA unabhängig davon Gelder zur Verfügung, um die paramilitärischen Kräfte in diese Netzwerke zu inkorporieren. Es spielte keine Rolle daß die Paramilitärs damals in Kolumbien illegal waren. Und es machte auch nicht aus, daß sie explizit wegen des wachsenden Einflusses von Pablo Escobár und seines Medellin-Drogenkartells geächtet worden waren.

Zusätzlich zum Drogenhandel waren die Paramilitärs schon in weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen verwickelt. Dies brachte das US-Defense Department dazu, das kolumbianische Militär davon abzuhalten, sich mit diesen neuen Geheimdienstnetzen zu verbinden. Absicht war, nicht mit den Paramilitärs assoziiert zu werden«, sagte Colonel Roach, der auch in ständigem Kontakt mit CIA-Offizieren in Bogotá stand. Nach ihm hatten diese einen anderen Ansatz. »Der CIA baute die klandestinen Netze eigenständig auf. Er hatte eine Menge Geld. Das war so, wie wenn der Weihnachtsmann gekommen wäre.« CIA-Sprecher Mark Mansfield wollte hierzu keinen Kommentar abgeben.

Verdeckte Regie

Informationen über diese klandestinen Geheimdienstnetze wurden zuerst von der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch ans Licht gebracht, die im November 1996 US- und kolumbianische Militärdokumente sowie mündliche Zeugenaussagen präsentierte, um aufzuzeigen, daß Ende 1990 sowohl das Defense Department wie der CIA Kolumbien ermutigt hatten, sein ganzes militärisches Nachrichtendienstsystem umzuorganisieren. Im Mai 1991 bildete Kolumbien landesweit 41 neue nachrichtendienstliche Netzwerke, »auf Basis der Empfehlungen, die von der Kommission der US-Militärberater gemacht wurden«. So verfügt es im Original die kolumbianische Anordnung, die diese Dienste einsetzt. Später sagten vier frühere kolumbianische Mitarbeiter solcher Netzwerke im Medio Magdalena aus, daß diese illegale paramilitärische Gruppen inkorporierten und sie sowohl für nachrichtendienstlichen Service wie Morde an mutmaßlichen Linken bezahlte. Obwohl US-Offiziere immer noch beteuern, daß sie die Neuorganisierung der Geheimdienste als Teil der Drogenbekämpfung unterstützten, instruiert die oben zitierte kolumbianische Anweisung, daß mit dieser neuen Struktur der Nachrichtendienste nur die »bewaffnete Subversion«, d.h. die linksgerichteten Guerillas, bekämpft werden sollen.

(...) Währenddessen schützen nach den US-Nachrichtendiensten und kolumbianischen Behörden weitaus mehr rechte Paramilitärs, die mit den Militärs verbündet sind, Drogenlabors und interne Transitwege. Nach dem Bericht einer kolumbianischen Justizbehörde ist der Drogenhandel auch heute wieder die »zentrale Finanzierungsachse« der Paramilitärs.

In ähnlicher Weise verlautbart der Bericht einer anderen Justizbehörde von 1995, der von Spitzendetektiven der kolumbianischen Kriminalpolizei angefertigt wurde, daß sich im Medio Magdalena die Militärs und Paramilitärs »nicht nur für den antisubversiven Kampf« verbünden, »sondern auch, um den Drogenhändlern den Weg zu öffnen und zu Gewinn zu verhelfen«. Als Paramilitär-Verdächtiger wird im Bericht der »allbekannte Drogenhändler Victor Carranza« genannt. Zeitgleich mit Pablo Escobár in Medellin gelang es Carranza zunächst, sich an die Spitze des lukrativen Smaragdhandels in den Bergen der Boyacá-Provinz zu schwingen und »nebenbei« eine starke Guerillafront auszuradieren. Bald wurde Carranza einer der größten Grundbesitzer. Er kaufte riesige Ländereien in der östlichen Meta-Provinz, die mit Drogenpflanzungen und -labors übersät ist. Heute wird Carranza von Kolumbiens Polizei sowohl als tonnenschwerer Drogenhändler als auch als eine der Schlüsselfiguren der vielen illegalen paramilitärischen Gruppen identifiziert. Menschenrechtsorganisationen beschuldigen Carranza, Morde und Massaker zu fabrizieren.

Es gibt keinen Nachweis, daß Carranza mit dem CIA zusammengearbeitet hat. Aber seine antikommunistischen Glaubensbekenntnisse sprechen für sich. Er ist oft von Wolken von Militär umgeben. Augenzeugen aus den Reihen der Armee sagen, daß sich Heeresoffiziere sogar mit Carranza in den Hotels Los Llanos in Villavicencio, der Hauptstadt der Provinz Meta, getroffen haben, die diesem gehören. US-Offiziere wissen auch viel über ihn. »Carrariza kommt laufend in nachrichtendienstlichen Berichten vor«, sagt einer von ihnen. Ein altmodischer Führer, »Don Victor«, wie er ehrfurchtsvoll von seinen Leuten genannt wird, der immer noch die Smaragdminen besucht und es liebt, als erster den größten Edelstein aus einer noch ungeschürften Ader zu holen. Aber Carranza bleibt unantastbar, obwohl einer seiner gehätschelten Leutnants, Arnulfo Castillo Agudelo, 1995 wegen 40 Leichen verhaftet wurde, die sechs Jahre vorher auf einem von Carranzas Landgúterri in Meta exhumiert worden waren. Castillo, der im Gefängnis La Modelo in Bogotá sitzt, lehnte ein Interview ab. Carranza, der Öffentlichkeit meidet, stand ebenfalls nicht für einen Kommentar zur Verfügung.

In den vergangenen Jahren hat Carranza seine Operationen in Zentralkolumbien über das ganze Tal des Magdalena ausgebreitet. Der oben genannte Polizeibericht vermerkt: »Carranza plant, die Hacienda Belte Cruz als Basis für seine Aktivitäten zu erwerben, und 200 Paramilitärs aus dem Meta dorthin zu bringen.« Zeugen sagen, daß es dort von bewaffneten Männern nur so wimmelt, die Hunderte von Campesinos vertrieben haben. (...)

Ein anderer Verdächtiger ist Henry Loaiza, der als »der Skorpion« bekannt ist. Er war einer der sieben Top-Männer des Cali-Kartells, die mit CIA-Hilfe ab 1995 verhaftet wurden. Dies zeigt die Bedeutung der Paramilitärs im Drogenhandel. Wie Carranza ist auch »der Skorpion« in mehrere Massaker an Zivilisten involviert, die gemeinsam von Militärs und Paramilitärs durchgeführt wurden, inklusive der Massaker, die 1989 in der Gemeinde Trujillo bei Cali durchgeführt wurden und bei denen die Opfer (darunter der Gemeindepfarrer - d. Red) mit einer Kreissäge zerstückelt wurden. Unter den anderen Drogenhandel-Verdächtigen, die von der kolumbianischen Polizei identifiziert wurden, sind Militäroffiziere wie Major Jorge Alberto Lázaro, ein ehemaliger Armeekommandant, der ebenfalls beschuldigt wird, Paramilitärs anzuführen, die Massaker im Magdalenental begehen. Heute ist dieses zentrale Flußtal Kolumbiens, das über fast 400 Meilen nach Norden zu den Karibikhäfen führt, ein wichtiger Korridor für den Transport von verarbeiteten Drogen sowie für die dazu notwendigen Chemikalien. Über ein Jahr nach dem Fall der Berliner Mauer half der CIA Kolumbiens Militärs und Paramilitärs dabei, im Dunkeln zusammenarbeiten zu können. Dadurch förderte der CIA Verbrechen, die schwere Menschenrechtsverletzungen und Drogenhandel implizieren. Wenn dies schor während des Kalten Krieges ein unhaltbares Verhalten war, ist es heute überhaupt nicht mehr zu verteidigen.

Gekürzt aus : »ila«, Nr.215, Mai 1998

Smyth, Frank


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