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Leserforum

Liebe Geheim-Redaktion,
10. Juni 1998

die Einführung der Rubrik »Leserbriefe« finde ich positiv. Doch der Inhalt zweier Briefe hat mich sehr erschrocken. Denn solch Kleingeist-Verhalten hätte ich unter der Leserschaft eigentlich nicht erwartet.

So wird in einem Brief angemerkt, daß es sich bei den Belgrader Demonstranten »wahrscheinlich um Leute handelt, die ein Vichy-Serbien anstreben«. Außerdem würden die Belgrader Studenten »wahrscheinlich auf gute Jobs in der Europäischen Gemeinschaft schielen, möchten Mittelschichtler sein.« Hier werden halbgare pauschale Verdächtigungen mit einer Prise Sozialneid und der Wahrscheinlichkeitstheorie gemischt. Wenn schon Vorwürfe, dann bitte mit Fakten.

Im einem zweiten Leserbrief wird darauf hingewiesen, daß der ach so arme Ex-Verteidigungsminister der DDR, Heinz Kessler, dafür im Gefängnis sitzen würde, daß er »nur seine Pflicht« in der DDR getan habe. Die Pflicht ist ein deutsches Kind. Immer parat, wenn man sich persönlich rechtfertigen soll. Dann nimmt man/frau die Pflicht in die Pflicht und stiehlt sich aus Verantwortung. Und die Pflicht eint Deutsche unterschiedlichster Couleur. So sprachen rechte Kreise angesichts der Ausstellung vom »Hamburger Institut für Sozialforschung« über die Verbrechen der Wehrmacht immer wieder davon, daß deutsche Soldaten im 2. Weltkrieg nur ihre - na klar - nur ihre »Pflicht« getan hätten.

Ein wenig erstaunt war ich auch über eine Bemerkung in dem Beitrag »Angeklagt der geheimdienstlichen Agententätigkeit für eine fremde Macht« von Doris und George Pumphrey. Daß die beiden vor Gericht standen, westdeutsche BND-/VS- und MAD-Agenten nicht, läßt sich unter dem Begriff Siegerjustiz zusammenfassen. Aber wie naiv müssen Menschen sein, wenn sie uns glauben machen wollen, daß die Berichte über ihre Arbeit bei den Grünen mithelfen sollten »antigrüne Vorurteile in der DDR abzubauen«? Klaus Steinmetz, VS-Spitzel, wollte angeblich zwischen RAF und Staat »vermitteln«. Das Ergebnis ist bekannt. Eine Tätigkeit für einen Geheimdienst, egal mit welchen Absichten, ist immer eine Spitzel-Tätigkeit. Denn der Bericht an sich untergräbt das Vertrauen von anderen Menschen. Eine Kontrolle über das Ausmaß der Kontakte, die Verwendung der gelieferten Informationen und daraus resultierende Repressalien für Dritte ist für den »Informanten« nicht möglich. Der »Dienst« sitzt am längeren Hebel und kontrolliert das Spiel. Ein Spiel, das nach seinen Regeln abläuft. Die Mär von Geheimdienst-Berichten, die niemand persönlich geschadet hätten, ist alt. Sie wird aber auch durch ständige Wiederholung nicht glaubwürdiger und besser. Vielmehr beruhigt man damit das eigene Gewissen.

Hans-Peter Bordiens Einwurf im »Editorial« der letzten Ausgabe, daß die DDR mit »mit seinen Geheimdiensten grundlegende Menschenrechte seiner Bürger geschützt« oder auch »nicht gut genug geschützt« habe, sei ebenfalls mit einer Anmerkung versehen. Ein Geheimdienst ist grundsätzlich undemokratisch und kann Menschenrechte nicht schützen. Er kann sie nur mit Füßen treten. Oder gibt es einen anderen Sinn, weshalb Geheimdienste existieren?

Christoph Hermani, Hamburg


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