Logo Geheim 2/1998

Texte zur Strategiediskussion (23)
Pausenlos, schonungslos und unerbittlich

Es ist also unsere erste Aufgabe, das Entstehen von Revolutionslagen und - wo sie entstanden sind - ihre Verschärfung zu verhindern. Wie kann das geschehen? In erster Linie durch Schaffung gesunder und ausgeglichener sozialer Verhältnisse in den Ländern der freien Welt. Zu starke soziale Gegensätze sind systematisch abzubauen, wie überhaupt die in unserer pluralistischen Gesellschaften vorhandenen Interessengegensätze trotz ihrer Fruchtbarkeit nicht gesteigert werden dürfen.

In den vom Kommunismus besonders bedrohten Ländern empfiehlt sich die unbedingte Einhaltung des Arbeitsfriedens durch Schließung von Kompromissen zwischen den Sozialpartnern. Darüber hinaus kann es erforderlich werden, der Regierung solcher Länder eine möglichst breite parlamentarische Grundlage unter Ausschluß radikaler Kräfte zu geben, wie es in Not- und Kriegszeiten ohnehin zu geschehen pflegt.

Insgesamt müssen wir ein System kultivieren, das die Betonung nicht so sehr auf die Unterschiede als auf die Harmonie in unserer pluralistischen Ordnung legt. Zwischen den Staaten des Westens sind die nationalen Gegensätze und Grenzen möglichst abzubauen. Es sind supranationale Einrichtungen aller Art zu schaffen, an die einzelne Souveränitätsrechte abgetreten werden können. Es können dabei auch zentrale Einrichtungen zum Studium des kommunistischen Kampfes und seiner Abwehr geschaffen werden.

Wie bei uns das Entstehen von Revolutionslagen zu verhindern ist und bestehende Revolutionslagen gemildert und beseitigt werden müssen, so sind auf der Gegenseite in unerbittlichem Wettbewerb der Koexistenz Revolutionslagen zu schaffen und zu »verschärfen«. Unser Gedankengut ist in das öffentliche Leben der kommunistischen Staaten mit allen Mitteln der modernen Propaganda auf psychologisch geschickte Weise einzuschleusen. Unter Ausnutzung nationaler Verschiedenheiten, religiöser Überlieferungen, auch menschlicher Schwächen wie der Neugier, der weiblichen Eitelkeit, der Sehnsucht nach Vergnügen ist die Indifferenz zu den Zielen der kommunistischen Staatsführung zu fördern. Wirtschaftliche, moralische und andere Mißstände, die für die kommunistische Staatsführung typisch sind, sind schonungslos aufzuzeigen mit dem Ziel, die Bevölkerung bis zum passiven Widerstand (»Arbeite langsam!«) und zur Sabotage zu bringen. Geht dann der kommunistische Staat gegen einzelne Abtrünnige vor, so sind seine Maßnahmen, die als ungerecht erscheinen, möglichst allgemein bekannt zu machen, damit Mitleid und neue Abneigung gegen das kommunistische System erweckt werden. Zu den geistig Schaffenden eines kommunistischen Staates ist auf Kongressen, auf Reisen usw. Verbindung aufzunehmen. Diskussionen sind nicht zu scheuen. Der Postverkehr und der kulturelle Austausch sind zu fördern, da der Westen hoffen kann, daß besonders die Jugend in vielen kommunistischen Staaten durch das bloße Kennenlernen ihrer Umwelt und durch die Möglichkeit kritischen Vergleichs den Idealen ihrer Staatsführung entfremdet wird, die in der Abschließung am besten existieren.

Die Menschen in den kommunistischen Staaten werden auf diese Weise zu bewußten oder unbewußten Trägern westlicher Ideen, es wird das Gefühl allgemeinen Unbehagens geschaffen, das Voraussetzung ist für die - sich ohne Gewaltanwendung abwickelnde - innere Veränderung und Umwälzung in diesem Staatswesen.

Durch pausenlose, den Gegner ermüdende Arbeit sind diese natürlichen Entwicklungen zu beschleunigen.

aus: A. v. Schack, Der geistige Kampf in der Koexistenz, in: Außenpolitik, 13. Jg. (1962), S. 770, S. 773f, zit. nach: Gerhard Kade, Die Bedrohungslüge. Zur Legende von der »Gefahr aus dem Osten«, S. 29ff, für die Quelle S. 92 Anm. 37, 38


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