Logo Geheim 1/1998

Der »Kalte Krieg« soll noch einmal Thema beim Bundesverfassungsgericht werden

Drei Frauen aus dem äußersten Nordwesten der BRD legten Beschwerde gegen ein Urteil beim Bundesverfassungsgericht ein. Dem ging ein Rechtsstreit voraus, in dem der »Kalte Krieg« wiederauflebte. Es begann damit, daß die »Internationale Gesellschaft für Menschenrechte« (IGFM) zusammen mit dem »Round Table Emden / Leer« in der Schalterhalle der Emder Filiale der »Oldenburgischen Landesbank« (OLB) im August 1996 eine Ausstellung eröffnete. Hier sollten Spenden für die IGFM gesammelt werden, die für ruandische Waisenkinder in Goma (Congo/Zaire) bestimmt waren. Die lokale und regionale Presse berichtete darüber, was die Frauen dazu veranlaßte, einen LeserInnenbrief zu schreiben. Beim »Round Table« handelt es sich um einen Zusammenschluß von Unternehmern unter 40 Jahren. Der Gruppe Emden/Leer gehört einer der größten Emdener Textilhändler ebenso wie der damalige Leiter der Emder Filiale der OLB, der inzwischen in die Hauptverwaltung des Mutterinstituts der Dresdner Bank befördert wurde, an. Die IGFM ist im Vergleich mit dem »Round Table« wesentlich interessanter, über die IGFM finden sich Aussagen in dem Leserbrief, die heute von den Autorinnen nicht wiederholt werden dürfen. Die Frauen warfen der Gesellschaft vor, ihre »Aktivitäten konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Unterstützung von Diktaturen«. Weiterhin wird behauptet, sie habe eine »strukturelle Vernetzung und personelle Verflechtung mit ultrarechten Gruppierungen« und diversen Geheimdiensten«, dies reiche sogar bis zur ehemaligen »Wehrsportgruppe Hoffmann«. Das die Frauen ihre Aussagen nicht aus dem hohlen Bauch tätigten, sondern auf eine Vielzahl von Veröffentlichungen zurückgriffen, mußten sie vor Gericht beweisen. Zunächst verlangte die IGFM eine Unterlassungserklärung und ihr Anwalt fügte eine Rechnung von fast 900 DM bei. Da weder Unterschrift noch Zahlung erfolgte, reichte die IGFM Klage ein. Weil die Gesellschaft den Frauen schon zuvor Auszüge aus vermeintlichen »Stasi-Akten« zuschickte, die jedoch nichts mit dem LeserInnenbrief zu tun hatten, wurde von ihnen beim Landgericht Aurich eine umfangreiche Dokumentation eingereicht. Mit Akribie wurden Quellen geprüft, Artikel und Bücher besorgt, die Publikationen über die IGFM zugrunde lagen und zahlreiche Eigenpublikationen der IGFM herangezogen. Die IGFM reichte weder ihre »Stasi-Akten« beim Landgericht ein, noch trug sie diese vor. Das Urteil fiel dementsprechend aus. Die Aussagen seien laut Gericht von der Meinungsgfreiheit gedeckt und die Kosten des Verfahrens hatte die IGFM zu tragen. In der Berufung vor dem Oberlandesgericht Oldenburg, die die IGFM anstrengte, wurde das Urteil des Landgerichtes Aurich umgedreht. Vor dem Oldenburger Gericht entwickelte die IGFM plötzlich umfangreiche Aktivitäten. In ihrer Zeitschrift »Menschenrechte« polemisierte sie gegen die Richter in Aurich und wirft ihnen vor, den »Beweisnotstand in den siebziger und achziger« Jahren der IGFM nie kennengelernt zu haben und schrieb über die vermeintliche »Desinformationskampagne« der »Stasi«, die in einem nicht benannten Zusammenhang mit dem Prozeß stehen sollten («Menschenrechte«, Sept./Okt. 1997, S.5). Dies hatte sie selber auch nicht im Prozeß vor dem Landgericht vorgetragen. Was sie ihren Mitgliedern offensichtlich nicht mitteilte. Sie führte jedoch eine Umfrage unter Mitgliedern über eine 2. Instanz durch und sammelte auch Spenden ein. Zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung in Oldenburg reichte die IGFM eine detaillierte Kommentierung der Beweise der Beklagten ein. Hierin gaben sie zumeist den Frauen recht. Trotzdem urteilte das Gericht, daß der Beweis der Richtigkeit der Behauptungen nicht erbracht wurde. Dazu kam das OLG dadurch, daß die Beweismittel der Beklagten von ihm unbeachtet blieben und die Vorladungen der Zeugen verweigert wurde. Dies kann an einem Beispiel deutlich gemacht werden. Aus dem Universitätsarchiv Tübingen wurden beglaubigte Kopien beigebracht, die die Zusammenarbeit des »Hochschulrings Tübinger Studenten« (HTS) mit der IGFM nachweisen. Der HTS war auf das Engste mit der »Wehrsportgruppe Hoffmann« (WSG) verquickt, dies sagt auch der Bayerische Verfassungsschutz. Die IGFM bestätigte ihrerseits, daß der HTS bis 1978 mit der IGFM assoziiert war. Trotzdem wertete das Gericht die Aussage der Verflechtung mit der WGS als »unwahre« Behauptung. Aus dem vom Gericht mißachteten Schriftsatz, in dem die Frauen die Verbindungen HTS und WSG vortrugen, verweist das OLG in einem anderen Zusammenhang. Weiterhin führt das Gericht aus, daß die Verunglimpfung der IGFM zu unterbleiben habe, weil der »Staatssicherheitsdienst« der DDR »Fehlinformationen« »gesteuert« habe. Dies gilt auch, wenn die Informationen richtig sind, schreibt das OLG ausdrücklich in seiner Urteilsbegründung, und da die Beklagten auch Materialien zu Vorgängen aus den 90er Jahren vorlegten, offensichtlich auch für Informationen aus der Zeit nach dem Ende der DDR. Das Gericht bezieht sich auf eine »Untersuchung« der »Gauck-Behörde«. Eine Untersuchung existiert jedoch nicht. Das Gericht verweist auch auf einen Artikel der »Emder Zeitung«, wo dies jedoch nicht steht, und auf einen Artikel in der »Frankfurter Allgemeinen«. Dieser Artikel stammt zwar von einem Mitarbeiter der sogenannten Gauck-Behörde, ist aber ausdrücklich als dessen eigene Meinung gekennzeichnet; hier wird die IGFM auch nur kurz erwähnt. Jochen Jung nannte das Vorgehen der IGFM: »Die Jagd nach dem Persilschein« («Das Blättchen«, 15.1.98, S.20-24). Der Persilschein ist auch von Nöten, ist die IGFM doch einschlägig bekannt. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen verurteilte die IGFM 1987 als »Handlanger« des »rassistischen Regimes Südafrikas«. Ende der 80er Jahre wurden Stände der IGFM von der Evangelischen Kirche ausgeschlossen. Auch historisch gibt es einiges zu verwischen. So waren mehrere ihrer Gründer Angehörige der Emigrantenorganisation NTS, mit der sie auch darüber hinaus verbunden war (vgl. K. Eichner/A. Dobbert: »Headquarters Germany«, Berlin 1987, S. 169-173). Beim NTS, dem Bund russischer Solidaristen, handelt es sich um eine radikal antikommunistische Organisation, die schon im 2. Weltkrieg mit den Faschisten kollaborierte (ebenda). Das OLG hat eine Revision ausgeschlossen. Die Frauen haben inzwischen Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. In der 34-seitigen Beschwerdeschrift berufen sie sich auf die Artikel 5 Abs.1, Meinungsfreiheit, und Artikel 103 Abs 1, Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht, des Grundgesetzes. Auf die Frauen kommen Kosten im Umfang von ca. 10.000 DM aus dem verlorenen Prozeß zu. Dazu kommen noch die Rechnung des eigenen Anwaltes und Gebühren für den gang zu Bundesverfassungsgericht.

Wer die Frauen in ihrem Kampf unterstützen will, kann dies durch eine Spende auf folgendes Konto tun: Konto der Oldenburger Rechtshilfe, 100-006154 bei der Landessparkasse zu Oldenburg, Bankleitzahl 28 050 100. (Christian Christians, Hannover) »aus: »Offensiv«, März 1998, Zeitung der PDS Göttingen und Hannover, c/o Frank Flegel, Berckhusenstraße 13, 30625 Hannover, Tel & Fax: 0511-553929, E-Mail: OFFENSIV@OLN.comlink.apc.org


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