Logo Geheim 4/1997

Immunität für Eurocops?
PDS-MdB Ulla Jelpke vor dem Parlament

Meine Damen und Herren,
wir beraten heute die Immunitätsregelung für EUROCOPS in erster Lesung - und schon morgen will der Bundesrat hierüber abschließend beraten - also bevor der Innenausschuß des Bundestags seine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt hat. Funktioniert so eine parlamentarische Demokratie?

Das BMI wollte eigentlich die Immunitätsregelung heimlich über den Verordnungsweg realisieren.

Doch da hat sich Herr Kanther geschnitten. Daß Polizisten Straftaten begehen dürfen, ohne zur Rechenschaft gezogen werden zu können, geht selbst denjenigen zu weit, die sonst - zugunsten eines diffusen Sicherheits-Versprechens - auf fast alle Grundrechte verzichten würden.

Wir kritisieren die Immunitätsregelung vor dem Hintergrund der bereits beschlossenen Befugniserweiterung für EUROCOPS auf sog. operative Kompetenzen.

Dies ist für uns der erste Schritt hin zur Legalisierung sog. ,milieutypischer Straftaten«. Diese sind bislang der deutschen Polizei aus guten Gründen verboten.

Der Rechtsstaat ist doch kein Ramschladen! Der Loslösung vom Legalitäts- und Rechtsstaatsprinzip durch die Immunität für EUROCOPS müssen wir von vornherein einen Riegel vorschieben.

Jenseits unser grundsätzlichen Kritik, monieren wir an der vorliegenden Immunitätsregelung folgendes:

1. Sie ist nicht erforderlich. Denn, darauf weist der Rechtsausschuß des Bundesrates hin: EUROCOPS sind keine Diplomaten. Beide haben unterschiedliche Aufgaben. Polizeikräfte müssen einer lückenlosen Bindung an Recht und Gesetz unterliegen.

2. Die Immunitätsregelung ist löchrig wie ein Schweizer Käse und damit verfassungswidrig: Verletzungen wichtiger Normen des StGB sollen - selbst nach § 8 der EUROPOL-Konvention - grundsätzlich straflos bleiben, so z.B. der Schutz der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB), die Verletzung des Briefgeheimnisses (§ 202 StGB) und das Ausspähen von Daten (§ 202a StGB). Dies widerspricht der Rechtschutzgarantie des GG - so jedenfalls die Meinung der SPD im Rechtsausschuß am 8. Oktober.

3. Sperrerklärungen des EUROPOL-Direktors sind gerichtlich nicht überprüfbar. Dies widerspricht Art. K.2 des EU-Vertrages. Demzufolge müssen ALLE polizeilichen Maßnahmen richterlich kontrollierbar sein. Ich frage mich, ist dies Ihr Verständnis vom Rechtsstaat?

Meine Damen und Herren von der SPD: Der Ortsverband Bonn-Poppelsdorf hat beantragt, der EUROPOL-Konvention weder im Bundestag noch Bundesrat zuzustimmen. Selbst die Antragskommission für den SPD-Parteitag empfiehlt, diesen Antrag anzunehmen.

Nun haben die SPD-regierten Länder einen Antrag für die morgige Bundesrats-Sitzung vorbereitet. Demnach wollen sie der Immunität zustimmen, obwohl sie diese für nicht erforderlich - ja sogar für verfassungsrechtlich bedenklich halten. Mit ihrem nichtssagenden Prüfungsvorbehalt - hinsichtlich einer möglichen Änderung der EUROPOL-Konvention - liegen sie voll auf Regierungslinie.

Meine Damen und Herren von der SPD, ich fordere Sie auf - gerade im Hinblick auf Ihre eigenen verfassungsrechtlichen Bedenken: strafen sie den alten Satz Lügen, daß Sozialdemokraten gern die Lippen spitzen, aber sich nie trauen, auch wirklich zu pfeifen!


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