Logo Geheim 4/1997

Operative Kompetenzen für EUROPOL

Auf der Konferenz der Regierungschefs der EU in Dublin wurde im Dezember 1996 ein »Allgemeiner Rahmen für einen Entwurf zur Revision der Maastrichter Verträge - Dublin II« verabschiedet. Als eine der »wichtigsten Aufgaben« wird hierbei die Ausweitung der Europol-Kompetenzen vorgeschlagen. In Ergänzung des bisherigen Artikels des Maastrichter Vertrages soll Europol innerhalb einer vorgeschriebenen Frist die Möglichkeit zur Durchführung »operativer Aktionen« eingeräumt werden.

Damit wird eine deutliche Schwelle bei der westeuropäischen polizeilichen Zusammenarbeit überschritten: Europol soll nunmehr auch polizeiliche Ermittlungsaufträge in eigener Regie bearbeiten und Eingriffsrechte erhalten.

Jürgen Storbeck, der derzeitige Chef Europol-Vorläuferorganisation, der »Europäischen Drogenbekämpfungsbehörde« (EDU), umriß den Begriff »operative Aktionen« folgendermaßen:
1. Operational Research (eigenständige Untersuchungen)
2. Operational Support (Unterstützung nationaler Polizeien seitens Europol durch Information, taktische Beratung, Bereitstellung sonstiger Mittel ggf. Personal)
3. Operational Coordination (Koordinierung der Ermittlungsarbeiten nationaler Polizeien seitens Europol, Begleitung kontrollierter Lieferungen, Initiativrecht für parallele nationale Ermittlungen nach der Vergabe durch Europol)
4. Operational Teams (Zusammenstellung von Polizeibeamten zu sog. Task Forces)

Storbeck hält es für denkbar, Europol-BeamtInnen ein eigenes Ermittlungs- und Vernehmungsrecht einzuräumen. Lediglich die Befugnis zur Festnahme soll allein bei den nationalen Polizeibehörden verbleiben. (Deutsche Polizei 2/97)

Der Handlungsspielraum von Europol soll mit dem Ausbau operativer Kapazitäten deutlich ausgeweitet werden - zu Lasten nationaler bzw. föderaler Polizeikompetenzen. Doch: auf welcher rechtlichen Grundlage sollen eigentlich diese »operativen Aktionen« durchgeführt werden? Nach welcher Maßgabe sollen z. B. Telefone durch Europol abgehört und verdeckte Europol-Spitzel eingesetzt werde? Nach welchen Regeln soll Europol aus »eigener Initiative« heraus »parallele Ermittlungsaufträge an nationale Polizeibehörden vergeben« können? Und durch die Zur-Verfügungstellung welcher »sonstigen Mittel« sollen die Ermittlungsarbeiten nationaler Polizeiorgane seitens Europol »unterstützt« werden?

Und dies vor dem Hintergrund, daß Europol in einem polizei- und strafverfahrensrechtlichem Vakuum hängt, keiner staatsanwaltschaftlichen Anleitung, keiner gerichtlichen und faktisch auch keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegt.

Europol würde durch diese Vorschläge ein Höchstmaß an institutioneller Handlungsmacht übertragen. Europol kann so bei grenzüberschreitenden Ermittlungen alle rechtlichen Regelungslücken der beteiligten Staaten zu seinen Gunsten ausnutzen und eine widerspenstige nationale Polizeibehörde gegen eine andere, willfährige ausspielen.

Das Bundesinnenministerium zeigt sich offiziell kurzfristig an der Zuweisung »operativer Kapazitäten« an Europol weniger interessiert. Man wolle den Ratifikations-Prozeß der Europol-Konvention nicht behindern. Daß Europol überhaupt installiert und handlungsfähig würde, dem gelte, aus Bonner Sicht, oberste Priorität. Aber man wäre schon dankbar für den Vorschlag aus Dublin, der praktisch einem Vorratsbeschluß gleichkommt: »operative Kapazitäten« seien ein zugegebenermaßen »schillernder Begriff«, in den man später alles mögliche hinein interpretieren könne.

Die Geringschätzung parlamentarischer Kontrolle zeigt sich schon, bevor der Ratifizierungsprozeß der Europol-Konvention überhaupt begonnen hat. Schon jetzt wird mit dem geplanten »Ausbau operativer Kapazitäten« eine Erweiterung von Kompetenzen vorweggenommen, die bislang weder bei der EDU, noch von der Europol-Konvention vorgesehen waren. Das fängt ja gut an.


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