Logo Geheim 4/1997

Europol
Außer Rand und Band. Europol ohne Datenschutz und demokratische Kontrolle

Durch eine bloße Vereinbarung zwischen den Innen- und Justizministern der EU-Staaten wurde 1993 der Startschuß für den Aufbau der ersten Stufe von Europol, der Europol-Drogeneinheit (EDU) gegeben. Drei Jahre verhandelten die Minister und ihre Arbeitsgruppen im stillen Kämmerlein über die Europol-Konvention, die im Juli 1995 unterschrieben wurde. Seit der Unterzeichnung dieses Vertrages geht es - wiederum in nicht-öffentlichen ministeriellen Zirkeln - um den Aufbau der Europol-Datensysteme und um Durchführungsvereinbarungen. Polizei und Exekutive schaffen Fakten, die die Parlamente nur noch ratifizieren sollen und voraussichtlich werden. Demokratische Kontrolle - ein Fremdwort. Die Konvention über Europol, die Datenzentrale der EU-Polizeien, verbürgt, daß das auch in Zukunft so bleibt.

Gespenster gehen um in Europa. Organisierte Kriminalität und Drogenhandel bedrohen das Abendland. Ihre Bekämpfung erforderten den schnellen Aufbau eines europäischen Polizeiamtes - Europol. Das beschlossen die Staats- und Regierungschefs der EU, der Europäische Rat, im Juni 1991 in Luxemburg auf Anraten von Kanzler Helmut Kohl. Seitdem geht es Schlag auf Schlag: Januar 1992 - der Aufbau Europols wird im Maastrichter Unionsvertrag in Artikel K1 Nr. 9 abgesichert. Juni 1993 - aufgrund der erwarteten langen Verhandlungsdauer über eine spätere Konvention unterzeichnen die Innen- und Justizminister eine Vereinbarung über den vorzeitigen Aufbau der Vorstufe von Europol, der Europol-Drogeneinheit. September 1993 - ein Aufbaustab unter Leitung des BKA-Beamten Jürgen Storbeck tritt vorerst in Straßburg seine Arbeit an. November/ Dezember 1993 - der Maastrichter Vertrag tritt in Kraft. Den Haag erhält den Zuschlag als Sitz des neuen Amtes. Januar 1994 ist es soweit: Die Europol-Drogeneinheit beginnt ihre Arbeit in Den Haag.

Damit sind die Würfel gefallen. Die Verbindungsbeamten werden entsandt, die ersten Investitionen sind getätigt, das Budget für die »Vorstufe« beschlossen. Europol ist nicht mehr nur ein Projekt, ein Polizistentraum wie in den 70er Jahren, sondern praktische Wirklichkeit. Die Grundlage für die Datenzentrale der EU-Polizeien ist gelegt.

EDU - »eine leidlich funktionierende Hilfskonstruktion« (Storbeck)

Das angebliche Provisorium hat nunmehr schon drei Jahre auf dem Buckel. Die Drogeneinheit befaßt sich längst nicht mehr nur mit Drogen, sondern seit März 1995 auch mit KfZ-Verschiebung, Schmuggel von radioaktivem Material und der »Einschleusung« von AusländerInnen sowie seit November 1996 mit Menschenhandel. Vorläufig ist nur noch die rechtliche Grundlage: Die Ministervereinbarung und zwei »gemeinsame Maßnahmen« der Minister, die auf das jeweilige nationale Recht und geltende internationale Verträge verweisen - eine »Hilfskonstruktion«, wie der EDU-Chef Storbeck feststellt, die allerdings mehr als nur »leidlich« funktioniert.

Kern der EDU ist ein Verbindungsbeamtenschema. Alle EU-Staaten - einschließlich der drei erst 1995 beigetretenen Österreich, Schweden und Finnland - haben Verbindungsbeamte nach Den Haag entsandt. Die deutsche »desk« ist mit sechs Beamten das stärkste. Sie sind formal alle dem BKA zugeordnet. Nur zwei kommen aber tatsächlich aus der Wiesbadener Zentrale der deutschen Polizei, zwei sind von Landeskriminalämtern, zwei weitere vom Zollfahndungsdienst abgeordnet.

Wie ihre Kollegen aus den anderen EU-Staaten haben sie weitestgehenden Zugang zu nationalen Polizeidateien, die sie zumeist online über bei der EDU stationierte Terminals abfragen können. Aus Deutschland ist der gesamte Datenbestand des Polizei-Informationssystems INPOL, des Zollinformationssystems INZOLL sowie der beim BKA geführten Drogendatenbanken APR (Arbeitsdatei PIOS Rauschgift) und FDR (Falldatei Rauschgift) verfügbar. Die deutschen Verbindungsbeamten können damit nicht nur auf harte Fahndungsdaten und den Kriminalaktennachweis zugreifen, sondern auch auf sog. weiche Daten über potentiell Verdächtige und bloße Kontaktpersonen, wie sie in APR enthalten sind.

Im Falle einer Anfrage aus einem anderen Staat dürfen diese Daten über dessen Verbindungsbeamte an die anfragende Stelle weitergegeben werden. Der Datenaustausch erfolgt zwar unter einem einzigen Dach von Tür zu Tür - direkt zwischen den Verbindungsbeamten der beteiligten Staaten -, die rechtlichen Grundlagen hierfür bestehen aber ausschließlich in den nationalen und zwischenstaatlichen Vorschriften über die polizeiliche Rechtshilfe und den nationalen Datenschutzbestimmungen. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit wird ebenfalls nur von den Verbindungsbeamten wahrgenommen, die damit die Befugnisse ihrer nationalen Polizeizentralen - im deutschen Falle des BKA - in ihrer Person vereinigen.

Europol führt zwar auf dieser Stufe noch keine eigenen Datensysteme mit personenbezogenen Informationen, faktisch schafft der Austausch über die Verbindungsbeamten bereits jetzt eine - wenn auch noch unvollständige - europäische Datenbasis. Der »fallbezogene« Datenaustausch zwischen den EDU-Verbindungsbeamten treibt gefährliche Blüten. Die Zahl der Anfragen wächst ständig:

Jahr        Zahl der Anfragen  Zahl der Antworten
               (davon BRD)         (davon BRD)
1. Halbjahr '94    146                 402
2. Halbjahr '94    456
1. Halbjahr '95    660               1.403
                  (189)              (108)
2. Halbjahr '95    816               1.828
                  (167)              (184)
1. Halbjahr '96  1.054               2.118
                  (239)              (198)

Anfragen bei EDU sind ein Instrument zur Intensivierung des grenzüberschreitenden Informationaustausches. Eine einzige finnische Anfrage ergab 1995 nicht weniger als 18 Antworten. Die Einheit hat darüber hinaus eine steuernde Funktion für grenzüberschreitende verdeckte Polizeieinsätze. Kontrollierte Lieferungen - also z. B. von der Polizei observierte oder gar durch eingeschleuste Agenten und V-Leute gesteuerte Transport von Drogen - werden über die Verbindungsbeamten koordiniert, die den schnellen Kontakt zwischen den beteiligten Dienststellen der Polizei oder der Zollbehörden herstellen. Sie machen zwar nur einen kleinen Teil der Anfragen an die EDU aus. Dafür sind diese Koordinierungsfunktionen der EDU für verdeckte Polizeieinsätze um so arbeits- und zeitintensiver.

Neben diesen Tätigkeiten kann die Einheit auch jetzt schon »strategische« Kriminalitätsanalysen - auf der Basis von nicht-personenbezogenen Daten - erarbeiten. Mit diesen Lagebildern hat die EDU auch eine politische Funktion. Sie befördert die Vereinheitlichung von Bedrohungsbildern bei den Polizeien der beteiligten Staaten. Auch wenn diese nicht von praktischem Wert für die polizeilichen Ermittlungen sind, so helfen sie doch mit, den Teufel der »organisierten Kriminalität« weiter an die europäische Wand zu malen.

Aufbrechen föderaler Polizeistrukturen

Betrachtet man rückblickend die Verhandlungen über die Europol- Konvention, so wird man feststellen, daß wesentliche Ergebnisse des im Juli 1995 unterzeichneten Vertrages bereits von Anfang an feststanden. Die grundsätzliche Entscheidung über den Aufbau des Amtes stand seit Arbeitsbeginn der EDU ohnehin fest. Die Europol-Konvention bestätigt die bereits in der EDU angelegte Struktur der Europol-Zusammenarbeit zwischen den »nationalen Stellen«, den Polizeizentralen wie dem BKA (Art.4), den von ihnen zu Europol entsandten Verbindungsbeamten (Art.5) und Europol, das nach Inkrafttreten der Konvention zusätzlich eigenes Personal erhält.

Zentralisierend wirkt diese Kooperation nicht nur, weil ein zentrales EU-Polizeiamt geschaffen wird, sondern auch dadurch daß die Zusammenarbeit mit diesem Amt auf eine nationale Stelle konzentriert wird, die Daten an die europäische Zentrale zu liefern hat und von ihr empfängt. Praktisch werden sich zwar auch in Zukunft nachgeordnete Polizeistellen direkt über die Verbindungsbeamten Daten beschaffen oder Anfragen übermitteln. Die Europol-Konstruktion zwingt aber die jeweiligen nationalen Polizeien zur Zusammenarbeit und zur Konzentration auf internationale Angelegenheiten.

Für die BRD und andere föderalistisch strukturierte Staaten bedeutet dies, daß dezentrale Polizeistrukturen aufgebrochen werden. Daten, die von den Polizeien der Bundesländer ans BKA übermittelt wurden, werden von diesem an Europol weitergegeben. Unterhöhlt werden dadurch gleichzeitig die ohnehin geringen Kontrollmöglichkeit der Landesdatenschutzbeauftragten über die von den Länderpolizeien erhobenen Daten.

Umfassende Zuständigkeiten

Durch zwei »Gemeinsame Maßnahmen« 1995 und 1996 wurde die Zuständigkeit der EDU bereits weit über die ursprüngliche Aufgabe der Drogenbekämpfung hinaus ausgeweitet. Die Drogenbekämpfung hat zwar die Legitimation für den Aufbau von Europol abgegeben, ist aber nur eine unter vielen Zuständigkeiten des zukünftigen Amtes, das damit zur Allround-Informationszentrale für alles wird, was sich als »organisierte Kriminalität« interpretieren läßt.

Nach Art. 2 der Konvention soll Europol die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten »im Hinblick auf die Verhütung und die Bekämpfung des Terrorismus, des illegalen Drogenhandels und sonstiger schwerwiegender Formen der internationalen Kriminalität« verbessern. Voraussetzung für das Tätigwerden sind »tatsächliche Anhaltspunkte für eine kriminelle Organisationsstruktur« sowie, daß mindestens zwei Mitgliedstaaten von den »genannten Kriminalitätsformen« betroffen sind.

Durch jeweils einstimmigen Beschluß des Ministerrates sollen die bisherigen Aufgaben schrittweise erweitert werden, auch um den Terrorismus, der auf Drängen Spaniens spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten des Vertrags einbezogen werden muß. Integriert würde damit auch das seit Ende der 70er Jahre aufgebaute Netzwerk der Geheimdienste und politischen Polizeien der EU-Staaten (TREVI I: Terrorismus). Europol wird so zur EU- weiten Staatsschutzpolizei. Auch wenn der Datentransfer zu Europol über die nationalen polizeilichen Zentralen - im deutschen Falle das BKA - verläuft, werden hier auch Geheimdienstinformationen einfließen. Die Trennung von Polizei und Geheimdiensten, die bereits auf nationaler Ebene nur noch hauchdünn ist, wird damit durch die EU-Kooperation gänzlich aufgehoben.

Europäische Datenbasis der Polizeien

Über die »Systemarchitektur« der Europol-Dateien bestand im wesentlichen schon 1994 Einigkeit. Vorgesehen ist erstens das bereits genannte »Informationssystem« (Art.7-9), das ein dem Kriminalaktennachweis im Rahmen des bundesdeutschen INPOL-Systems vergleichbares Register darstellt: Neben den Personalien und unveränderlichen Kennzeichen der Betroffenen sollen hier Straftaten (einschl. Tatort, -zeit und -mittel) und die aktenführende Dienststelle gespeichert werden. Das Informationssystem umfaßt aber nicht nur Daten von Verurteilten und Personen, gegen die ein konkreter Tatverdacht besteht, sondern auch über »andere Personen«, wenn »Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Straftaten begehen werden«, für die Europol zuständig ist. Europol sorgt für das technische und betriebliche Funktionieren. Abrufen und eingeben können auch die Mitgliedstaaten und ihre Verbindungsbeamten. Für die Richtigkeit und Rechtmäßigkeit der Daten ist die jeweilige eingebende nationale Stelle zuständig.

Zweitens können zu Fallkomplexen, vermuteten organisierten Zusammenhängen oder aber zur Erstellung von Lagebildern Arbeitsdateien zu Analysezwecken (Art.10) errichtet werden. Die Daten werden entweder von den nationalen Stellen angeliefert oder von Europol bei anderen EU-Stellen, bei Interpol und bei Polizeien von Nicht-EU-Staaten erbeten. Zu jeder Analysedatei wird eine Analysegruppe bestehend aus Europol-Bediensteten, Verbindungsbeamten und /oder Sachverständigen der (betroffenen) Mitgliedstaaten gebildet. Bei »allgemeinen und strategischen Analysen« auf der Basis von nicht-personenbezogenen Daten erhalten die Verbindungsbeamten aller Mitgliedstaaten Kenntnis. Bei Analysen von »Einzelfällen« zu »unmittelbar operativen Zwecken« werden nur diejenigen Staaten einbezogen, die von den Aktivitäten der (vermuteten) Täter betroffen sind. Zum Abruf oder zur Eingabe sind nur die Europol-Mitarbeiter der Analysegruppe berechtigt. Ein unmittelbarer Abruf durch die nationalen Stellen ist nicht erlaubt. Sowohl hinsichtlich des gespeicherten Personenkreises, als auch bezüglich des Datenumfanges gehen die Arbeits- bzw. Analysedateien weit über das Informationssystem hinaus: Zusätzlich zu den Verurteilten und (möglichen) Verdächtigen sollen auch (mögliche) Zeugen, (mögliche) Opfer, Kontakt- und Begleitpersonen sowie »Personen, die Informationen über die betreffenden Straftaten liefern können«, gespeichert werden. Gemäß einem ersten unter spanischer Präsidentschaft 1995 ausgearbeiteten Entwurf von Durchführungsbestimmungen sollen »personenbezogene Daten allgemeiner Art« - von den Personalien bis hin zu körperlichen Merkmalen, Telefon- und Bankverbindung - und »besonderer Art« - von der »rassischen Herkunft« über politische und religiöse Anschauungen bis hin zu Angaben über Gesundheit und Sexualleben erfaßt werden können (Art.4 Durchf.best). Dieser Entwurf wurde mittlerweile - sprachlich, aber nicht inhaltlich - revidiert. Nach der aktuellen Fassung vom 25.Juli 1996 dürfen die »besonderen Daten« nicht mehr »um ihrer selbst willen« erhoben, gespeichert oder verarbeitet werden, sondern nur noch wenn sie andere Daten ergänzen und für die Analyse »unbedingt erforderlich« sind. Faktisch hat sich damit nichts geändert. Denn wenn Daten nicht erforderlich sind, dürfen sie ohnehin nicht gespeichert werden.

Das Indexsystem (Art.11), der dritte Komplex der Europol- Systemstruktur, listet die von Europol betriebenen Analysen auf und soll den Verbindungsbeamten der ursprünglich nicht am jeweiligen Analyseprojekt beteiligten Mitgliedstaaten die Entscheidung darüber ermöglichen, ob sie die Aufnahme in die Analysegruppe beantragen.

An der technischen Konzeption der Europol-Datensysteme wird bereits gearbeitet. Die Kosten schätzt das Bundesinnenministerium derzeit auf 20 Mio. ECU (ca. 40 Mio. DM).

Kaum Kontrolle, kaum Datenschutz

Was den Abschluß der Verhandlungen verzögerte, waren nicht der Datenschutz und die Kontrolle von Europol, sondern in erster Linie formelle Souveränitätsfragen und der Grad der »Vergemeinschaftung« des Amtes, also die Einbeziehung von EG- Institutionen. Mit der Konvention wird Europol weitgehend von politischen und gerichtlichen Kontrollen freigestellt. Noch nicht einmal eine staatsanwaltschaftliche Leitungs- und Kontrollbefugnis ist für das Treiben der Euro-Polizisten vorgesehen. Europol erhält den Status einer juristischen Person und kann eigenständig Verträge mit Polizeien von Drittstaaten wie den USA oder »Drittstellen« wie Interpol abschließen und damit seine Datenbasis weiter verbreitern. Alle wesentlichen Entscheidungen verbleiben beim Ministerrat, beim Verwaltungsrat (pro Staat eine Stimme - Art. 28) und beim Direktor (Art. 29). Das Europäische Parlament hatte weder in den Verhandlungen etwas zu melden, noch wird es nach Inkrafttreten des Vertrages eine ernstzunehmende Rolle spielen. Es muß nur in dürftigen jährlichen Berichten informiert werden (Art. 34). Statt des Rechnungshofes der Gemeinschaft sind ein eigenständiger Finanzkontrolleur und eine eigenständige Rechnungsprüfung vorgesehen (Art. 35 und 36).

Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH), gegen den sich vor allem die britische Regierung gewandt hatte, tritt in der Endfassung des Vertrages nicht in Erscheinung. Eine Rolle - nicht als Klageinstanz für Betroffene, sondern für die Regierungen der EU-Staaten - wird dem EuGH nur in einer zusätzlichen Erklärung und einem Protokoll zugestanden, die nur von 14 Mitgliedstaaten (alle außer Großbritannien) unterzeichnet wurden.

Gemäß der Erklärung verpflichten sich die 14 Staaten, Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des Vertrages zunächst im Verwaltungsrat, dann im Rat der Innen- und Justizminister und - falls binnen sechs Monaten keine Einigung erzielt wurde - dem EuGH vorzulegen. Ein solcher Fall ist ziemlich unwahrscheinlich.

Das Protokoll, das die 14 erst nach langem Tauziehen im Juli 1996 unterzeichneten, erhöht ebenfalls nur scheinbar die Möglichkeiten der gerichtlichen Kontrolle von Europol. Wenn gespeicherte oder weitergegebene Daten illegal oder falsch sind und Betroffenen dadurch ein Schaden entstand, können diese zunächst den zuständigen Staat haftbar machen und Schadensersatz verlangen. Ihre Ansprüche müssen sie gegebenenfalls bei den nationalen Gerichten durchsetzen. Nur dann, wenn die nationalen Gerichte sich über die Interpretation der Konvention unklar sind, können sie den EuGH um eine Vorabentscheidung anrufen.

Für die Betroffenen ist dadurch nicht viel gewonnen. Bevor sie Schadensersatz wegen illegaler Datenverarbeitung einklagen können, müssen sie erst einmal wissen, welche Daten Europol über sie speichert bzw. was für Daten von den nationalen Polizeien an Europol geliefert wurden. Das Auskunftsrecht für Betroffene (Art. 19) ist aber minimal. Es stößt nicht nur auf Einschränkungen in der Konvention selbst, sondern ist zusätzlich an die nationalen Rechtsvorschriften gebunden, d.h. in einigen Ländern (wie Großbritannien) faktisch ausgeschlossen. Gegen eine Mitteilung haben die Staaten, die die Information eingegeben haben oder von ihr betroffen sind, ein Vetorecht. Auskünfte aus operativen Analysedateien bedürfen gar des Konsenses aller Beteiligter einer Analysegruppe. Da ein großer Teil der Analysedaten ohnehin als geheim oder vertraulich eingestuft werden dürfte - ein Entwurf von Geheimschutzregeln existiert schon -, ist kaum mit einer großen Offenheit des Amtes zu rechnen. Auch die Appellation an die einzurichtende gemeinsame Datenkontrollkommission (Art. 24) dürfte kaum etwas nutzen.

BürgerInnenrechte geraten ins Rutschen

Zentralistische Struktur, Speicherung und Weitergabe sensibelster Daten, keine Kontrolle von außen - die Balance zwischen BürgerInnenrechten und polizeilicher Macht wird mit Europol massiv zugunsten der letzteren verschoben. Die nebulösen Warnungen vor »organisierter Kriminalität« haben den Aufbau einer gefährlichen Institution legitimiert. Demokratie und Rechtsstaat haben wieder einmal gegen das Versprechen polizeilicher Effizienz verloren. Probleme sind damit keine gelöst, dafür wären politische Lösungen gefordert. Und die kann keine Polizei, so mächtig sie sein mag, liefern.


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