Logo Geheim 3/1997

Der unerklärte Krieg
Bomben und biologische Waffen sollen Cuba in die Knie zwingen

Wenn US-Senator Jesse Helms, Vorsitzender des äußerst einflußreichen außenpolitischen Ausschusses des US-Senats, auf Cuba angesprochen wird, redet er Klartext: Zur Begründung des berüchtigten »Helms-Burton-Gesetzes«, das die ökonomische Blockade gegen die kleine Karibikinsel weiter und deutlich verschärfte, meinte er, dieses Gesetz »soll dem Diktator Fidel den letzten Tritt versetzen. Egal, wie er Cuba verläßt, vertikal oder horizontal, aber weg muß er.« High Noon im »Hinterhof der USA« ...

Am 21. Oktober 1996 überfliegt ein kleines, einmotoriges Flugzeug us-amerikanischer Herkunft (Typ S-2R) Cuba im Luftkorridor Giròn von Norden nach Süden; diese Route läßt die kleine Maschine, die auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Patrick in Florida gestartet und auf dem Weg zur Insel Grand Cayman war, u.a. Varadero in der Provinz Matanzas in rund 25 Kilometer passieren. Was die zahlreichen ausländischen Touristen in Varadero nicht bemerken konnten, fiel der Besatzung einer cubanischen Linienmaschine jedoch auf, deren Route sich zeitweilig nur 300 Meter unter dem US-Flugzeug befand. Gegen 10 Uhr vormittags bemerkten sie, wie die US-Maschine mit kurzen Unterbrechungen einen weißen oder hell-gräulichen Nebel abließ. Sofort informierte die Besatzung der cubanischen Linienmaschine das cubanische Flugleitzentrum über ihre Beobachtung. Dieses kontaktierte den US-Piloten über Funk und fragte an, ob es irgendwelche Probleme gäbe. Der verneinte und setzte seinen Flug in Richtung Grand Cayman fort.

Bereits am 18. Dezember 1996 meldete der landwirtschaftliche Betrieb »Lenin« das Auftreten der Schädlingsplage »Thrips Palmi« bei seiner neuen Kartoffelanpflanzung der Sorte Diamant. Der landwirtschaftliche Betrieb »Lenin« befindet sich mit seinen Planzungen genau in der Nähe jenes Luftkorridors, den das US-amerikanische Kleinflugzeug überflogen hatte. Seither hat sich die Schädlingsplage faktisch im gesamten Gebiet der Provinzen Matanzas und Havanna verbreitet und diverse landwirtschaftliche Produkte befallen.

Protest nach Washington

Daher übergab das cubanische Außenministerium bereits am 23. Dezember des vergangenen Jahres der US-amerikanischen Interessensvertretung (eine Botschaft gibt es nicht!) in Havanna eine Protestnote, in der die verantwortlichen Stellen in den USA aufgefordert werden, den Vorfall zu untersuchen und die Ergebnisse der cubanischen Seite mitzuteilen.

Erst am 12. Februar diesen Jahres bequemten sich die Yankees einer Antwort. Angeblich habe es gar keinen Vorfall gegeben, sondern der Pilot des nordamerikanischen Kleinflugzeuges habe lediglich seinen »Rauchwarner« benutzt, um der bereits erwähnten cubanischen Linienmaschine aus Gründen der Luftsicherheit seine Anwesenheit mit Rauchzeichen zu signalisieren. Irgendwelche Substanzen seien dabei nicht ausgetreten.

Wer viele Western sieht, der mag vielleicht an die Rauchzeichen im Luftverkehr glauben, die Fakten sprechen jedoch eine andere Sprache:
- es ist nicht bekannt, daß das nordamerikanische Kleinflugzeug vom Typ S2-R über die technische Einrichtung eines Raucherzeugers verfügt. Bekannt ist jedoch, daß Flugzeuge dieses Typs von offiziellen US-Stellen im Kampf gegen den Drogenanbau benutzt werden. Mit ihnen werden Substanzen abgelassen (entweder in Form von Aerosolen und flüssigen Teilchen oder festen Teilchen), die Drogenanpflanzungen zerstören sollen;
- das Insekt »Thirps Palmi Karay«, das die Plage auslöst, war bisher in Cuba unbekannt;
- das erste Auftreten des Schädlingsbefalls (Ursprungsherd) läßt sich eindeutig in der Nähe jenes Luftkorridors orten, den das nordamerikanische Kleinflugzeug durchflogen hatte. Nachdem der Befall am 18. Dezember 1996 zuerst entdeckt worden war, schätzen Experten, daß sein zeitlicher Ursprung um den 21. Oktober herum - also jenem Datum, an dem der Flug des nordamerikanischen Kleinflugzeuges stattfand - festgesetzt werden kann.

Nicht das erste Mal...

Es liegen also mehr als deutliche Beweise auf der Hand, daß Cuba zum Opfer biologischer Kriegführung der USA geworden ist. Das Ziel dieser neuen Aggression liegt auf der Hand: Mit der Schädigung der landwirtschaftlichen Produktion sollen die Auswirkungen des Wirtschaftsembargos und der Blokkade massiv verschärft werden.

Zudem ist dieser Vorfall nicht der erste, bei denen Planer aus dem Pentagon und der CIA Methoden der biologischen und chemischen Kriegführung einsetzen, um die cubanische Revolution in die Knie zu zwingen.

Seit Beginn der 70er Jahre wurde Cuba immer wieder epidemieartig von diversen Seuchen und Plagen heimgesucht, die vor allem die landwirtschaftliche Produktion zum Teil massiv schädigten oder beeinträchtigten: 1971 Sogate Reis-Braunfäule, 1971 und 1979 afrikanisches Schweinefieber, 1978-1979 Rohzuckerrost und -ruß, 1979 blauer Tabakschimmel, 1982 die Newscastle-Krankheit oder 1983 der Kaffeeruß. Auch gegen Menschen wurden biologische Waffen eingesetzt: 1981 wurden über 200.000 Fälle eine »Schlafkrankheit« registriert, die der sogenannte »Dengue-Virus« verursacht, etwa zur gleichen Zeit erkrankten ungefähr 10.000 CubanerInnen am »brasilianischen Fieber«, das in einigen Fällen auch zum Tod der Erkrankten führte.

Pläne für die biologische Kriegsführung ausgearbeitet

Die CIA stützte sich in diesem Zeitraum bei ihren geheimen Plänen gegen Cuba auf eine Landkartenmappe, die die Code-Bezeichnung 502988-1-77 trägt (Gegen Ende 1993 wurde diese Karte allerdings erneuert und wird seither den Entwicklungen gemäß regelmäßig angepaßt, wobei sich auch die Code-Bezeichnung geändert haben wird). Diese Geheimkarte enthält alle notwendigen Daten für einen bakteriologischen und meteorologischen Krieg gegen Cuba. Des weiteren befinden sich darin alle Angaben, die für Sabotageaktionen benötigt werden. So sind zum Beispiel bis ins Detail die Zuckeranbaugebiete Cubas eingezeichnet, einschließlich interner Transportrouten sowie der Zuckerraffinerien und Ausfuhrhäfen.

Doch die Geheimpläne enthalten noch mehr: Einzelheiten über die Viehzucht, den Tabakanbau, die Landwirtschaft, die Industrie, Bodenbeschaffenheit und Infrastruktur. Auf einer weiteren CIA-Karte wird die genaue Bevölkerungsdichte angegeben. So registrierten die CIA-Strategen zum Beispiel genau, daß es den Cubanern gelungen war, den Schweinebestand deutlich zu erhöhen und damit die Importe von Schweinefleisch zu senken. Das Einschleusen der bis dato ebenfalls in Cuba unbekannten Schweinepest sollte diese ökonomische Entwicklung in diesem Bereich bremsen oder rückgängig machen. Für das Durchführen bakteriologischer oder chemischer Operationen sind genaueste Daten über die Bevölkerungsdichte und Infrastruktur eines Landes unerläßlich. Diese Daten, einschließlich genauer Angaben über Flughäfen, Straßen, Wege, Brücken, Städte, Dörfer, Zentren ökonomischer Aktivitäten oder Industrieanlagen, finden wir in den Plänen der CIA.

Ähnliche Pläne wurden z.B. auch für Nicaragua oder El Salvador angelegt; in Nicaragua hatte 1979 die sandinistische Revolution gesiegt, El Salvador befand in jener Zeit sich im Aufstand gegen eine von den USA ausgehaltene und gesteuerte faschistische Militärjunta. Die CIA-Geheimkarte Nicaraguas trug die Code-Bezeichnung 504012-10-79-544374, die El Salvadors 504473-10-80.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß, kurz nachdem die Vereinigten Staaten 1981 Darlehen an Nicaragua für den Kauf von Getreide storniert hatten, verdächtige Epidemien beim Viehbestand dieses Landes auftraten. In El Salvador benutzte die Militärjunta systematisch Entlaubungsmittel und Herbizide - natürlich von den USA frei Haus geliefert - gegen die von der Guerilla befreiten Gebiete.

Bereits 1969 wurde auf Empfehlung der CIA die »International Research and Technology Corporation« damit beauftragt, die meteorologischen Bedingungen in und um Cuba zu manipulieren. Einer der Eigentümer dieser Firma, Lowell Ponte, sprach darüber am 27. Juni 1976 in der »New York Times«. Er mußte einräumen, daß die CIA und das Pentagon 1969 und 1970 an Programmen gearbeitet hatten, das Wetter auf Cuba gezielt zu beeinflussen. So sollten Windstöße während der ersten Wachstumsphasen der Zuckerrohrpflanzen ausgelöst werden; später sollten dann Hurricanes und Regengüsse die Ernte ganz vernichten.

Chemische und bakteriologische Waffen werden in den USA u.a. in Fort Detrick im Staat Maryland und im Arsenal Edgewood im Nordosten von Baltimore gelagert. In Fort Detrick wurde zum Beispiel die Aufzucht Bakterien tragender Moskitos (z.B. »Dengue-Virus«!) bis zur Perfektion entwickelt und erheblich gesteigert, von einer Million monatlich auf 130 Millionen.

Weitere Bestätigung

Daß die CIA in ihrer Kriegführung gegen Cuba bakteriologische und chemische Mittel einsetzen, bestätigten auch cubanische »Kundschafter«, also cubanische Revolutionäre, die sich zum Schein und in Absprache mit den Sicherheitsbehörden ihres Heimatlandes von der CIA hatten anwerben lassen. 1987 hatte das cubanische Fernsehen einige dieser Kundschafter in einer mehrteiligen Dokumentation zu Wort kommen lassen. So berichtete einer von ihnen, Ignacio Rodríguez-Mena, u.a.:

»Die CIA hatte oft großes Interesse an Ernteausfällen und Haustierkrankheiten. Nicolás, mein CIA-Mann, fragte mich in Madrid im Sideral Hotel, ob ich nicht an Orte gelangen könne, wo ich die Möglichkeit hätte, Viren auszusetzen. Sie fragten mich, ob wir auf unseren Flügen auch Pestizide oder andere Chemikalien transportieren würden, die die bakterientragenden Moskitos bekämpfen könnten und sie wollten wissen, wie wir das afrikanische Schweinefieber bekämpfen. Außerdem interessierte sie, wer uns Chemikalien verkaufte und von welcher Firma sie waren. Sie wollten alles an Informationen, was ich besorgen konnte, um so den Verkäufer dieser Produkte herauszufinden. Dies hatte das Ziel, ihn entweder zu sabotieren oder ihn daran zu hindern, uns weiter Produkte zu verkaufen.« (zit. nach: Ron Ridenour, Backfire, Der größte Flop der CIA, 1994)

Hatte der bereits beschriebene Einsatz biologischer und chemischer Mittel das Ziel, die durch Blockade und Embargo belastete cubanische Wirtschaft weiter zu schädigen, so wurden solche Kampfstoffe auch eingesetzt, um die Führung der cubanischen Revolution, insbesondere Fidel Castro, zu eliminieren. So wurden z.B. gescheiterte Mordaktionen bekannt, bei denen Fidel mit Hilfe eines vergifteten Füllfederhalters getötet werden sollte; ein anderes Mal präparierte man einen Taucheranzug mit Tuberkelbazillen, um auf diese Weise den ungeliebten Führer der cubanischen Revolution loszuwerden. Als Fidel noch rauchte, blieben seine geliebten Zigarren ebenfalls nicht vor einem Anschlag der CIA verschont; ein CIA-Kommando versuchte, vergeblich, ihm eine Kiste voller vergifteter Zigarren zuzuspielen. Besonders kurios erscheint jedoch ein Anschlag auf Castros Bart: man wollte ihm eine chemische Substanz unbemerkt injizieren, die zum Haarausfall auf ganzer Linie führen sollte. Auf diese Weise war geplant, Fidel der Lächerlichkeit preiszugeben ...

Nur eine Seite der Medaille

Die bakteriologische und chemische Kriegführung ist jedoch nur ein Element in dem umfassenden Plan der USA, die cubanische Revolution zu zerschlagen. Ein weiteres, sich gerade in jüngster Zeit verstärkendes ist der Einsatz terroristischer Mittel, gezielte Sabotage und Bombenanschläge.

Chaos und Krieg

Am Samstag, den 13. Juli 1997 erschütterten zwei Explosionen die Fundamente zweier Hotels in der Innenstadt Havannas; Bomben waren in den Hotels »Nacional« und »Capri« explodiert, die schon seit Jahren zu den Touristenattraktionen zählen. Drei Verletzte waren zu beklagen. In einer Stellungnahme, die von der cubanischen Presseagentur »prensa latina« nur wenige Stunden nach den Attentaten verbreitet wurde, betonte das cubanische Innenministerium: »Das Innenministerium hat Beweise dafür, daß jene, die für die Tat verantwortlich sind sowie das Material, das benutzt wurde, aus den Vereinigten Staaten kommen.« Man muß also davon ausgehen, daß es sich um von der CIA organisierte Anschläge handelt, die nicht nur den Tourismus schädigen sollen, sondern daß auch der Zeitpunkt sorgfältig ausgewählt wurde. Die Bomben explodierten kurz vor dem Beginn der Weltjugendfestspiele in Cuba ...

Seither hat es weitere Bombenanschläge gegeben, bei denen bisher ein Toter und mehrere Verletzte zu beklagen waren; Ziel dieser Anschläge sind immer wieder touristische Zentren (so Hotels oder die berühmte »Hemingway-Bar« »Bodeguita del Medio«), was den Charakter der Anschläge, d.h. die gezielte Sabotage des Tourismus, einer wichtigsten Devisenquellen des Landes, unterstreicht. Dies gibt eine der verantwortlichen, von der CIA ausgerüsteten exil-cubanischen Terrorgruppen namens »Alpha 66« auch offen zu: »Der Plan ist, die Möglichkeit zu zerstören, daß Touristen nach Cuba kommen. Die Touristen helfen dabei, die cubanische Wirtschaft am Leben zu halten« (zit. nach: »International Herald Tribune«, 8.9.97). Verwickelt in die Anschläge ist ebenfalls die auch in Miami (USA) ansässige größte exil-cubanische Contra-Organisation, die »Cuban American National Foundation« (CANF); auch die CANF und insbesondere ihr Boß, Mas Canosa, verfügt über engste Beziehungen zum nordamerikanischen Geheimdienst. Tatsache ist, daß die CIA in den letzten Monaten gezielt Söldner aus verschiedenen mittelamerikanischen Staaten angeworben hat, um diese in Koordination mit den diversen, in den USA ansässigen exil-cubanischen Contra-Organisationen als Touristen, Geschäftsleute etc. getarnt nach Cuba einzuschleusen, um Terror- und Sabotageakte vorzubereiten und durchzuführen. Bei den von der CIA für diese Art von Operationen Eingesetzten handelt es sich zumeist um Veteranen der diversen Contra-Kriege, die der nordamerikanische Geheimdienst besonders in den 80er Jahren in Mittelamerika organisierte. Im Zusammenhang mit Sprengstoffanschlägen, die am 12. Juli diesen Jahres in Havanna organisiert worden waren, wurde inzwischen ein Mann verhaftet, dessen El Salvadorianischer Paß auf den Namen Raúl Ernesto Cruz Léon lautet und der am 31. August über Guatemala mit einem Touristenvisum in Cuba eingereist war.

Sollten Wirtschaftsblockaden, ökonomischer Boykott, gezielte Terroraktivitäten und die angestrebte politische Isolierung Cubas sowie die permanenten Destabilisierungsmaßnahmen - von denen hier nur einige, wenige beschrieben werden konnten - zu einer Situation in Cuba führen, die die US-Strategen als »Chaos« interpretieren, dann haben - laut einem Strategieartikel führender US-Militärs aus dem Jahre 1994 - die Strategen in Washington bereits Einsatzpläne ausgearbeitet: »Dieses Chaos könnte eine Entscheidung der US-Regierung zur Folge haben, für Stabilität zu sorgen und Hilfe für den Übergang zur Demokratie zu leisten. (...) Die jüngsten Erfahrungen in Panama, Somalia und Kurdistan zeigen, daß die Armee (die US-Armee, d. Autor) bei einer möglichen Stationierung in Cuba eine vertiefte Struktur erwägen sollte. (...) Die US-Armee könnte aufgefordert werden, in einer besonders emotional aufgeladenen Atmosphäre juristische Beratung und das polizeiliche Management der Kontrolle von Besitzansprüchen bereitzustellen. (...) Die Verwicklung in das cubanische System der Registrierung und Gültigkeit von Immobilienansprüchen mag von manchen als besonders unangenehme Aufgabe einer Besatzungsmacht angesehen werden.« (zit. nach: GEHEIM, Nr. 2/94)

Im Detail werden in dem Papier zudem die zu erwartenden Maßnahmen zur »Friedenserzwingung« bis hin zu »Anti-Guerilla-Operationen« als Antwort der US-Militärs auf den von ihnen erwarteten Widerstand des cubanischen Volkes durchgespielt. Deshalb, so die Strategen der US-Army, dürfe keinesfalls etwas vergessen werden: »Gräber registrieren!«


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