Logo Geheim 3/1997

Infoboard

350 Jahre »Westfälischer Friede«

Erasmus von Rotterdam schrieb seine Antikriegsschriften »dulce bellum inexpertis« (süß scheint der Krieg den Unerfahrenen) und »querela pacis« (Klage des Friedens, s. Texte zur Strategie XX in diesem Heft, zweite Umschlagseite) 100 Jahre vor Beginn des 30jährigen Krieges (1515 und 1517), am Beginn der europäischen Hegemonialkriege, deren Charakter zwischenzeitlich zwar ein anderer geworden sein mag, die aber bis heute noch nicht beendet sind. Wer sucht, der findet: Der Gegensatz von Krieg und Frieden ist so alt und von ähnlichem »Ewigkeitswert« wie die Gegensätze von Herr und Knecht und arm und reich. Nicht nur die Tradition des Krieges reicht bis in die homerischen Gesänge und die jüdische Bibel zurück, sondern auch die der Leidenschaft für den Frieden. In dieser steht Erasmus. Und nicht nur die Umtriebe der Kriegspartei reichen bis in die Gegenwart, sondern auch der leidenschaftliche Kampf für den Frieden.

Auch im Kampf um die Sicht auf den Westfälischen Frieden zu dessen 350. Jahrestag drückt sich dieser Konflikt aus. Die Initiatoren des European Peace Congress Osnabrück '98 wissen das und beziehen ausdrücklich Position: »Die Unterzeichner des Friedensvertrages, so heißt es, hätten der Bevölkerung mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges auch die Hoffnung auf eine friedvolle Zukunft gebracht. Darüber, daß in Europa noch in diesem Jahrhundert Kriege geführt worden sind, wird nicht so gern geredet. Bei den Ausstellungen und Happenings, Symposien und Straßenfesten, steht die positive Friedensperspektive des historischen Anlasses stets isoliert im Mittelpunkt, zwischen Friedensbier und Friedenskitsch.« (leicht gekürzt und bearbeitet, hpb) Der European Peace Congress Osnabrück '98 wird anders (s.u.).

Nur eines ist zu vermissen: Die Erinnerung an den Widerstand gegen den Krieg, der über die löbliche Verweigerung und Desertion hinausging - an den Widerstand der bäuerlichen Bevölkerung in Südböhmen 1618 schon, im ersten Kriegsjahr, im Pfälzischen vier Jahre später, beide in der Tradition der Hussiten, im Bremer Landkreis, in Lauenburg, im Saalkreis, auch Frauen trugen Waffen, im Harz, in Oberösterreich, in den Karpaten, im Ostmährischen und in der Walachei, überall formierte sich bewaffneter bäuerlicher Widerstand als Notwehr im Krieg gegen den Krieg - mit antifeudalen Unter- sowieso, aber durchaus auch Obertönen: für ein friedvolles Leben ohne Not und Obrigkeit.

Und noch eines: Im Westfälischen Frieden wurde auch die Unabhängigkeit der Niederlanden von Spanien bestätigt, Ausdruck der bürgerlichen Emanzipationsbewegung, die seit dem 13. Jahrhundert von den oberitalienischen Städten ausgehend über das Deutschland der Reformation und des Bauernkrieges und die niederländische Unabhängigkeitsbewegung nun bei der englischen Revolution angelangt war, immer begleitet von den utopisch-kommunistischen Forderungen der unteren Klassen (Morus, Müntzer, Winstanley).

Vielleicht finden die Veranstalter auch für diese Traditionen der sozialen Emanzipation und des militanten Antimilitarismus noch Platz in ihrem Programm.

»European Peace Congress Osnabrück '98 Vom Westfälischen Frieden zu einem friedensstiftenden Europa/29.-31.Mai 1998, Stadthalle Osnabrück (Pressemitteilung vom 22.4.1997)

Aus Anlaß des 350jährigen Jubiläums des Westfälischen Friedens findet vom 29. bis 31. Mai 1998 in Osnabrück der European Peace Congress Osnabrück '98 statt. Die Chance des Friedensjubiläums soll bei dem Kongress dazu genutzt werden, aktuelle politische Themen und Probleme der europäischen Friedensbewegungen zu diskutieren, alternative nichtmilitärische Modelle der Konfliktlösung vorzustellen und auf Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern in Europa hinzuweisen sowie deren Schutz einzufordern.

Im Mittelpunkt des Kongresses stehen dabei die europäischen Krisen- und Konfliktherde mit ihren spezifischen Problemen. Beim Kongreß sollen vor allem die Opfer von Krieg und Repression zu Wort kommen, z.B. verfolgte Kriegsdienstverweigerer aus der Türkei oder Flüchtlinge und Deserteure aus dem ehemaligen Jugoslawien. Positive Ansätze friedlicher Konfliktlösung soll die Vorstellung beispielhafter Friedensinitiativen vermitteln, etwa der »Soldatenmütter Rußlands«, die sich mutig gegen den Tschetschenienkrieg und für Kriegsdienstverweigerer eingesetzt haben, oder der Freiwilligen, die im ehemaligen Jugoslawien im aktiven Friedensdienst deeskalierend tätig waren.

Eine wichtige Funktion des European Peace Congress Osnabrück '98 ist die Vernetzung der bestehenden europäischen Friedens-, Menschenrechts-, Flüchtlings- und Kriegsdienstverweigererinitiativen. Es soll eine Kontaktbörse zwischen den einzelnen Gruppen, aber auch zu ExpertInnen aus Politik, Wissenschaft und NGOs auf europäischer Ebene sein und sich aktiv in die internationale Friedenspolitik einmischen. Insgesamt werden zum Kongreß ca. 400 TeilnehmerInnen aus ganz Europa erwartet.

Veranstalter des Kongresses ist ein Trägerverein von zur Zeit 38 deutschen und internationalen Organisationen aus dem Friedens- und Menschenrechtsbereich (22.4.1997). Inhaltlich vorbereitet wird der Kongreß in drei Arbeitsausschüssen zu den Themenschwerpunkten der Veranstaltung - »Kriegsdienstverweigerung als Menschenrecht«, »Politisch-pazifistische Friedenskonzepte« und »Situation der KDVer und Flüchtlinge in Südost- und Osteuropa«.

Weitere Informationen bei European Peace Congress Osnabrück '98, Postfach 4124, D-49031 Osnabrück, Tel. 0541/260650, Fax 0541/260680, E-Mail: PeaceCongress Osnabrück1998 a-tonline.de, Internet: http://www.dfg-vk/peacegongress1988

Humanistische Union + Gustav Heinemann-Initiative + RichterInnen und StaatsanwältInnen in der Gewerkschaft ÖTV + Deutsche Vereinigung für Datenschutz + Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen München, den 29.8.1997

Bürgerrechtsorganisationen und ÖTV-RichterInnen wollen Grundrechtskahlschlag nicht hinnehmen

Durch die Einigung über die Einführung des großen Lauschangriffs wird ein unantastbarer privater Lebensbereich aufgegeben. Wird dieser massive Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte Gesetz, so werden vor allem Räume abgehört, in denen sich Unverdächtige aufhalten. Internationale Erfahrungen zeigen, daß das Abhören von Wohnungen keine erkennbare Verbesserung bei der Bekämpfung schwerer Kriminalität bringt. Der Lauschangriff kann nicht auf den engen Kreis von Gangstern begrenzt werden. Mit diesem Etikett wird die Öffentlichkeit getäuscht.

Die vorgesehenen Sicherungen sind völlig unzureichend. Es ist nicht vorgesehen, daß - wie in den USA - die anordnenden Richter über die Wirksamkeit des Grundrechtseingriffes Rechenschaft ablegen müssen, so daß eine effektive Kontrolle durch die Öffentlichkeit möglich ist. Abgehört werden können auch Ärzte, Pfarrer, Familienangehörige, selbst der Intimbereich »Schlafzimmer« ist nicht tabu. Was der Öffentlichkeit als Maßnahme gegen die »Organisierte Kriminalität« verkauft wird, wird Auswirkungen für die Unbefangenheit, mit der sich Bürger zu Hause verhalten, haben. Die vom Lauschangriff Betroffenen haben nicht die Möglichkeit, Rechtsschutz gegen diese geheime Ausforschung zu erlangen. Die Praxis der ständig zunehmenden Telefonüberwachung zeigt, wie wenig diese durch vergleichbare Instrumente eingegrenzt worden ist. Motor der Entwicklung ist das technisch Machbare.

Die deutsche Polizei darf nicht zur Geheimpolizei werden. Demokratische und rechtliche Kontrollierbarkeit sind eminent wichtig für das Vertrauen der Bürger zu den Stellen, denen das staatliche Gewaltmonopol anvertraut ist. Mit dem Lauschangriff tut sich der Staat keinen gefallen. Dies zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen der italienischen Mafia-Bekämpfung.

Wir werden uns mit der Preisgabe von Grundrechten nicht abfinden und appellieren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, dem Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes die erforderliche Zweidrittelmehrheit zu verweigern. Wir fordern die Landesregierungen auf, das Projekt »Grundrechtsabbau« im Bundesrat zu stoppen. Lassen Sie sich von wahltaktischen Stammtischparolen nicht beeindrucken, verteidigen Sie den Kernbestand unserer demokratischen Verfassung!

Juristen verlangen Abschaffung der RAF-Sondergesetze

Rechtsanwälte und Strafverteidiger fordern die ersatzlose Streichung der Sondergesetze, die in der Folge des Deutschen Herbstes 1977 zur Terrorismusbekämpfung verabschiedet wurden. Der Republikanische Anwältinnen und Anwälteverein (RAV), die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) und Teile der Vereinigung Berliner Strafverteidiger haben einen Aufruf verfaßt, in dem sie die Abschaffung des »Kontaktsperregesetzes«, des Paragraphen 129a («Bildung einer terroristischen Vereinigung«), das Verbot der Mehrfachverteidigung und die obligatorische Kontrolle der Verteidigerpost in Terrorismusverfahren verlangen. Erstunterzeichner sind die Bundesvorstände von RAV und VDJ, in denen rund 1.300 Juristen organisiert sind.

Anlaß für die Aktion der Juristen ist der 20. Jahrestag der Entführung und die spätere Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer durch ein Kommando der Roten Armee Fraktion. Der Deutsche Herbst sei nicht nur ein historisches Datum, heißt es in dem Aufruf, »sondern die Ereignisse des Jahres 1977 haben unmittelbare Auswirkungen bis heute«. Die damalige »Verfestigung eines latent staatsautoritären Zuges und die auf Vernichtung eines »Feindes' mit kriegerischen Mitteln angelegte Innenpolitik« hätten die politischen und psychologischen Grundlagen in der Bundesrepublik verschoben. (...)

Gekürzt aus: »die tageszeitung«, 5.9.1997

Neue Literatur

Hans See/Eckart Spoo (Hg.)
Wirtschaftskriminalität - Kriminelle Wirtschaft
Distel-Verlag, Heilbronn 1997, 260 S., DM 32.

Mit Beiträgen u.a. von: Eberhard Czichon, Jutta Ditfurth, Rolf Gössner, Anton Andreas Guha, Jörg Heimbrecht, Dieter Hummel, Otto Köhler, Reinhard Kühnl, W.J. Schaupensteiner, Herbert Schui, Manfred Such.

Daniela Dahn/Dieter Lattmann/Nomran Paech/Eckart Spoo (Hg.)
Eigentum verpflichtet. Die Erfurter Erklärung
Distel-Verlag, Heilbronn 1997, 182 S., DM 19,80.

Mit Beiträgen u.a. von: Elmar Altvater, Egon Bahr, Rolf Gössner, Günter Grass, Walter Jens, Hans-J. Maaz, Peter von Oertzen, Claudia Roth, Friedr. Schorlemmer, Gerh. Zwerenz.

Silke Stokar/Rolf Gössner
Schattenmänner
Kritik der Legalisierung des Verdeckten Vorfeld-Ermittlers Auswertung und Dokumentation von Stellungnahmen zur SPD-Polizeirechtsnovelle 1997 in Niedersachsen
42 S. DIN A 4, DM 5.

Mit Stellungnahmen von: Bernd Asbrock, ötv-RichterInnen und StaatsanwältInnen, Rolf Gössner, Jürgen Korell, BAG Kritische PolizistInnen, Ulrich Stephan, Manfred Such, Ulrich Vultejus, Edda Weßlau (Bezug: wie Broschüre zu »Organisierte Kriminalität«)

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Hg.)
»Organisierte Kriminalität«
Ein Phantombegriff mit hohem Gebrauchswert?
ca. 50 S., DM 5.

Dokumentation eines Fraktionshearings vom 23.06.1997. Mit Beiträgen von: Peter-Alexis Albrecht, Norbert Pütter, Edda Weßlau, Eckart Klawitter, Nds. Strafverteidigerinitiative, Bernd Asbrock, ötv Richter und Staatsanwälte, Horst Kruse (Polizeipräsident Bielefeld), Rolf Gössner, Werner Raith

»Organisierte Kriminalität« (OK) ist mit Beginn der 90er Jahre zum beherrschenden Schlagwort der innen- und sicherheitspolitischen Debatte im vereinten Deutschland geworden: Organisiertes Verbrechen in »nie gekanntem Ausmaß«, »Fernöstliche kriminelle Banden im Vormarsch«, »Deutschland - ein Mafia-Dorado« - so oder ähnlich lauten die täglichen Schlagzeilen der Massenmedien, die unablässig auf die Bevölkerung einpeitschen. Sicherheitspolitiker fast aller Couleur bieten der verängstigten Bevölkerung ihre wohlfeilen »Patentrezepte« an: Strafrechtsverschärfungen, Verdeckte Ermittler, Kronzeugenregelung, Großer Lauschangriff, Beweislastumkehr. Kaum noch jemand fragt nach einer exakten Definition und nach den Ursachen der OK sowie nach den Möglichkeiten, jenseits von Polizei und Strafjustiz der OK - zumindest in wesentlichen Bereichen - die Geschäftsgrundlage zu entziehen. In dieser Broschüre gehen kompetente Wissenschafter und kritische Praktiker den Fragen nach:

- was unter dem Begriff der »Organisierten Kriminalität« verstanden, wie und mit welcher Zielsetzung er in der öffentlichen Debatte benutzt wird (politische Funktion). - wie die jährlichen polizeilichen OK-Lagebilder zustande kommen, ob sie einer realistischen und differenzierten Lagebeurteilung entsprechen, oder ggfls. Spekulationen und Fehleinschätzungen unterliegen - wie sich die mittlerweile legalisierten Sonderermittlungsbefugnisse der Polizei zur »Bekämpfung der OK« auf das Ermittlungs- und Strafverfahren sowie auf U-Haft und Strafvollzug auswirken und ob es eine Art von »Effizienzprüfung« gibt - ob sich der sog. Richtervorbehalt für besondere polizeiliche Ermittlungsbefugnisse - wie Telefonabhöraktionen oder Verdeckte Ermittler - als ausreichende Kontrolle erweist - und am Beispiel der offensichtlich gescheiterten repressiven bzw. prohibitiven Drogenpolitik soll geklärt werden, ob Polizei und Justiz durch eine Liberalisierung entlastet und gleichzeitig einem Kernbereich der OK und der Beschaffungskriminalität die Geschäftsgrundlage entzogen werden kann.

Reader (10/97) der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen, H.W.Kopf-Platz 1, 30159 Hannover, Tel. 0511/ 3030-4202, Fax 329 829

Holger Nitz
Einsatzbedingte Straftaten Verdeckter Ermittler
Eine Untersuchung polizeitaktischer Ermittlungsmethoden bei der Strafverfolgung
Verlag Dr. Kovac, Hamburg 1997, 200 S.


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