Logo Geheim 2/1997

Rassismus, Faschismus, Friedensgefährdung
Was ist und zu welchem Ende studiert man den (deutschen) Imperialismus?

»Vom marxistischen Standpunkt aus ist es unsinnig, vom Imperialismus zu sprechen und dabei die Lage nur eines Landes zu sehen, während doch die kapitalistischen Länder aufs engste miteinander verknüpft sind«, urteilte Lenin und bestand mit Nachdruck darauf, daß es darum gehe, »die Politik der europäischen Mächte als Ganzes (zu) betrachten ..., die gesamte Politik des ganzen Systems der europäischen Staaten in ihren ökonomischen und politischen Wechselbeziehungen ...« (zit. nach Fritz Klein (Hg.), Studien zum deutschen Imperialismus vor 1914, Akademie Verlag, Berlin (DDR) 1976, S. 7f; Fritz Klein (Hg.), Neue Studien zum Imperialismus vor 1914, Akademie Verlag, Berlin (DDR) 1980, S. 5f). Imperialismus hat in der Leninschen Theorie also Systemcharakter.

Andererseits betonte Arkadi Jerussalimski, berühmter russischer Historiker für deutsche Geschichte und Bismarck-Biograph, daß Deutschland bei der Herausbildung der Leninschen Theorie des Imperialismus annähernd die gleiche Rolle gespielt habe, die England bei den Forschungen von Marx spielte. (vgl. Arkadi Jerussalimski, Bismarck. Diplomatie und Militarismus, Dietz Berlin (DDR) 1989, Vorwort S. 8)

Das ist kein Widerspruch, wenn man unterstellt, daß die für den ständigen Kampf zwischen den einzelnen Teilnehmern um die Anpassung des weltpolitischen Einflusses an das jeweilige ökonomische Stärkeverhältnis notwendigen Eigenschaften und Verhaltensweisen sich bei denen, die angreifen, stärker und deutlicher ausprägen als bei denen, die ihre Besitzstände zu verteidigen haben.

Der deutsche Imperialismus befand sich nun einmal seit dem ausgehenden Jahrhundert in der Aufholjagd, begehrlich nach Neuaufteilung der Interessensphären zur Erweiterung seines Machtbereichs. Nach dem gescheiterten ersten Griff nach der Weltmacht 1918 befand er sich in unveränderter Lage, nach dem gescheiterten zweiten Griff nach der Weltmacht 1945 immer noch im Hintertreffen gegenüber seinen Konkurrenten.

Beide Male wurden Konzepte zum Wiederaufstieg nötig; beide Male wurden sie entworfen, seit 1917, seit 1941.

Die Lernfähigkeit zeigte sich enorm: Nach der Erfindung der »geräuschlosen Kriegsfinanzierung« nach 1941 als Lehre aus den Fehlern der Kriegsfinanzierung nach 1914 (das gelang übrigens so gut, daß der größte Teil der damals Düpierten heute noch nicht weiß, wo sein Geld geblieben ist), erfanden die deutschen Gedankenfabrikanten den »geräuschlosen Wiederaufstieg« (das gelang so gut, daß der größte Teil der Düpierten heute noch nicht gemerkt hat, daß sie Gewaltunterworfene einer Weltmacht sind).

Zurück. Machtpolitik gegenüber Ländern der Dritten Welt ist also nicht per se Imperialismus, sie ist zunächst Kolonialismus, den R. Opitz im folgenden für die 70er Jahre beschrieb. (Der Autor unseres Dokuments hat während der Erarbeitung seines Dokumentenbandes über die Europastrategien des Kapitals einen weiteren Band zu den Kolonialstrategien konzipiert, über dessen letzten Stand wir vielleicht etwas erfahren, wenn sein Nachlaß endlich ediert sein wird.) Sie wird zum Teil der imperialistischen Konkurrenz, wenn und insofern expandierende Monopole dort aufeinanderstoßen und um Einfluß konkurrieren. Der Schlüssel zur Analyse der Konflikte in der Dritten Welt ist unter den Bedingungen des Imperialismus also die Frage nach den agierenden Monopolinteressen. Das gilt für den zweiten Golfkrieg so gut wie für Nigeria oder Zaire.

Hieraus ergibt sich die systematische objektive Verschränkung des Kampfes um Frieden, Demokratie und Sozialismus in den Ländern des Kapitals mit den Bestrebungen um Selbstbestimmung, Demokratie und Sozialismus in den Ländern der Dritten Welt.

Thomas Müntzer antwortete den Propagandisten der Einheit von Feudalherr und Bauer gegen die »Osmanische Gefahr« vor fast 500 Jahren: »Der Türke steht im eigenen Land.«

Karl Liebknecht hielt der kaiserlichen Kriegspropaganda gegen die »Feinde im Osten und im Westen« entgegen: »Der Feind steht im eigenen Land.«

Für die Kinder der Thomas Müntzer und Karl Liebknecht von heute ist der politische Ansatzpunkt das Monopol und sein Staat im eigenen Land. Antiimperialismus ist Antimonopolismus.

Dabei haben heute wie zu Zeiten der Internationalen Arbeiterassoziation die »Arbeiterklassen die Pflicht..., in die Geheimnisse der internationalen Politik einzudringen, die diplomatischen Akte ihrer respektiven Regierungen zu überwachen, ihnen wenn nötig entgegenzuwirken, wenn unfähig zuvorzukommen, sich zu vereinen in gleichzeitigen Denunziationen und die einfachen Gesetze der Moral und des Rechts, welche die Beziehungen von Privatpersonen regeln sollten, als die obersten Gesetze des Verkehrs von Nationen geltend zu machen.

Der Kampf für solch eine auswärtige Politik ist eingeschlossen im allgemeinen Kampf für die Emanzipation der Arbeiterklasse. Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!«

(Inauguraladresse der IAA vom Oktober 1864, nach MEW, Bd. 16, S.13), hpb

Liebe Freunde, weshalb zum Auftakt eines Unionstages der Deutschen Friedens-Union, der den Aufgaben der Friedenskräfte dieses Landes gilt, ein Forum über Neokolonialismus und die Erscheinung von Rassismus und Faschismus in Ländern der »Dritten Welt« und über die Rolle, die das Monokapital der Bundesrepublik in ihnen spielt.

Weil zwischen jener Rolle und den uns hier primär bedrängenden Fragen - den Gefahren des Abbaus der Demokratie, eines stärker werdenden Rechtstrends und dem in letzter Zeit wieder massiv hervorgetretenen, geradezu besessenen Willen unserer wirtschaftlich und politisch führenden Kreise zu noch gewaltigerer Aufrüstung und nach den allerneuesten Massenvernichtungsmitteln wie der Neutronenbombe - ein untrennlicher Zusammenhang besteht.

Ein unzertrennlicher - das heißt ein Zusammenhang nicht etwa nur in dem Sinne, daß es sich um Erscheinungen handelt, die gewisse analoge Züge aufweisen und daher vergleichbar sind zwischen denen womöglich auch bestimmte feststellbare Querverbindungen bestehen, sondern ein viel konkreterer, unmittelbarerer Zusammenhang in dem Sinne, daß sie beide der gleichen Ursache entspringen, nur zwei Erscheinungsformen und, auf Grund der verschiedenen Weltschauplätze, auf denen sie auftreten, unterschiedliche Äußerungsweisen ein und des selben Umstandes oder Sachverhalts sind: des Sachverhalts nämlich, daß der deutsche Monokapitalismus in Verlaufe der 70er Jahre in ein qualitativ neues Stadium seines Expansionismus eingetreten ist.

Expansionismus

Dieser Tatbestand des Übergangs in ein qualitativ neues Stadium des Expansionismus äußert sich sowohl in der Außenpolitik - und hier außer in der Europapolitik insbesondere, auf eine den dortigen Völkern drastisch spürbar werdende Weise, in der Politik gegenüber den Ländern der »Dritten Welt« - wie in der Rüstungs- und der Innenpolitik. Deshalb aber ist auch die im Titel unseres Forums thematisch angesprochene »Solidarität« der antiimperialistischen Kräfte unseres Landes und der Länder der »Dritten Welt« keineswegs etwa nur ein Postulat der Ethik und durch politische Moral vermittelt - so sehr sie natürlich auch das ist, aber nicht primär -, sondern ihr liegt die objektive Unteilbarkeit des Kampfes gegen den nach außen wie nach innen wendenden Expansionismus des Imperialismus eine durch den gemeinsamen Gegner in der Sache schon immer gegebene Kampfgemeinschaft zugrunde (die immer mehr zu einer auch subjektiven, zu bewußter, aktiver Solidarität, zu machen, eine Frage vor allem der Erkenntnis dieses objektiven Zusammenhangs und erst dann, und dann allerdings, in diesem Sinne eine Frage auch unserer praktischen Moral ist).

Wenn dies alles zutrifft, dann haben wir uns aber auch mit der Beschaffenheit dieses wechselseitigen Zusammenhangs von äußerer und innerer Expansion genauer zu beschäftigen. Dem soll dieses Forum dienen. Mehr als einen Anstoß dazu kann es nicht geben, und noch weniger kann ich hier zur Einleitung mehr als einigen Stichworte und einige illustrierende Beispiele in die Debatte werfen, die darauf hinweisen sollen, wo der generelle Zusammenhang zwischen dem antiimperialistischen Kampf der demokratischen Kräfte in unserem Land gegen Rüstung und Rechtstendenzen konkret liegt, weshalb und wie der BRD-Expansionismus in der »Dritten Welt«, trotz aller Dementis, gerade auch mit politischen Erscheinungen wie dem Rassismus und praktiziertem Faschismus unmittelbar etwas zu tun hat, und zunehmend verantwortlich für sie wird, warum schließlich aus dieser Verstrickung des deutschen Monopolkapitals in den Neokolonialismus und seine politischen Hervorbringungen zunehmend Bedrohungen des Weltfriedens und der demokratischen Entwicklungsaussichten der Bundesrepublik bzw. des Freiheitsraumes ihrer demokratischen Kräfte erwachsen.

Über viele Jahre hin ist uns ja erzählt worden, seit 1945 gäbe es keinen deutschen Expansionismus mehr. Wer nicht glauben wollte, daß der monopolistische Kapitalismus, den man eifrig restaurierte, plötzlich seine Natur abgelegt und sich des bislang ehernen Zwangs zum Kapitalexport entledigt haben könnte, sah natürlich und konnte auch bald dem Wirtschaftsteil jeder Zeitung entnehmen, daß er schon von den 50er Jahren an sowohl innerhalb der EWG als auch in die ihrer Rohstoffe und billigen Arbeitskräfte wegen besonders interessanten ehemals kolonialen Regionen der heutigen Länder der »Dritten Welt« hinein wieder kräftig expandierte. Und er konnte auch sehen, daß die der Öffentlichkeit mit betont karitativem Akzent als »Entwicklungshilfe« vertraut gemachte staatliche Förderung dieser Expansion nicht den Entwicklungsländern selbst, sondern eben dieser Expansion und allenfalls ihrer jeweiligen politischen Wegbereitung galt.

Angelegtes Kapital will langfristig gesichert sein

Im Ausland angelegtes Kapital aber will sich vor allem langfristig politisch gesichert wissen. Zumal wenn es in Ländern investiert wird, in denen Befreiungsbewegungen existieren, die gerade für die Unabhängigkeit des Landes von ausländischer Ausbeutung kämpfen. Die einfache, dem Kapital genuine Optik, daß das für Kapitalanlagen sicherste Land dasjenige sei, das solche Befreiungsbewegungen am rigorosesten niederhält, war dem deutschen Kapital bei seinem erneuten Hinausdringen in die Welt in den 50er Jahren, trotz aller dazu im Gegensatz stehenden gleichzeitigen lauten Versicherungen vom tiefgreifenden demokratischen Gesinnungswandel, der die Bundesrepublik und vor allem auch ihre Unternehmerschaft kennzeichne, die von vornherein selbstverständliche Optik. So erklärt sich, daß die Beziehungen etwa zum Iran nach dem CIA-Putsch des Jahres 1953 sofort besonders freundschaftlich enge wurden; daß die wirtschaftlichen Beziehungen zu Südafrika, ungetrübt von irgendeinem Anstoßnehmen am Rassismus - im Gegenteil, Heinrich Lübke nannte Südafrika im Jahre 1959 eine »Bastion der freien Welt« -, sich ebenfalls früh entwickelten; oder daß in den 60er Jahren, als Brasilien durch einen Militärputsch zur faschistischen Diktatur geworden war, der gleiche Heinrich Lübke das Putschistenregime wissen ließ: »Die brasilianische Revolution - war das, was das freie Europa und insbesondere die Bundesregierung erwartet hat.«

Spätestens Mitte der 70er Jahre jedoch hatte der immer weitergegangene und fast über alle Kontinente sich ausdehnende Prozeß der Expansion jenen Kulminationspunkt überschritten, bis zu dem es im Wesentlichen in politischer Hinsicht nur um Sicherheit für das exportierte deutsche Kapital gegangen war. Nun hatte das BRD-Kapital die Weltstellung des britischen und französischen Kapitals überrundet und war zur nach den USA zweitstärksten imperialistischen Weltmacht geworden, nach den Worten, in denen der SPIEGEL seinem empfindlichen Publikum diese Tatsache vorsichtig nahebrachte, zur »Weltmacht wider Willen«, nach den Worten weniger skrupelloser Wirtschaftsvertreter und Politiker der Bundesrepublik und ebenfalls auch in den Augen der USA zu einer Macht, die nun auch »mehr Weltverantwortung« übernehmen müsse. Also: die sich auch an der strategisch-operativen Sicherung großer Teile der Welt für die »freie Welt« aktiver beteiligen müsse.

Zwei Konzeptionen

Dafür nun gibt es prinzipiell zwei Konzeptionen. Einmal die althergebrachte Konzeption der klassischen Kolonialzeit, was gegen das Kapital aufmuckt, gewaltsam niederzuwerfen und durch ein entsprechend rigoroses Unterdrückungssystem am besten erst gar nicht aufkommen zu lassen. Dieses Verfahren hat sich im Zeitalter des weltweiten Siegeszuges des Antikolonialismus freilich als immer zwiespältiger erwiesen. Besonders die sozialliberale Koalition der Bundesrepublik hat .sich daher um die Entwicklung einer Alternativkonzeption bemüht, die den deutschen Expansionsdrang und nun erstmals auch wieder offen geäußerten Weltmacht- und Weltführungsanspruch mit den Erfahrungen der zunehmenden Zwiespältigkeit des unverhüllten Gewaltwegs verknüpft. Nämlich die Konzeption, das von ihr innerhalb Westeuropas so erfolgreich im Falle Portugals angewandte »Modell Deutschland«, die Strategie also, die Befreiung eines Landes von imperialistischer Abhängigkeit durch die massive Unterstützung und gar Aufzucht einer den sozialliberalen Parteien des BRD selbst ähnlichen systemzuverlässigen, doch reformistisch (im Sinne von reformerisch, hpb) auftretenden politischen Kraft bei gleichzeitig rigoroser, vor keinem Mittel zurückschreckender Isolierung der wirklich antikapitalistischen Kräfte zu vereiteln, nun auch auf die Länder der »Dritten Welt« auszudehnen, das »Modell Deutschland« - ursprünglich einmal primär als das Modell der inneren Ausrichtung der EG-Partnerstaaten auf die Bundesrepublik in der anvisierten »Politischen Union« bzw. auf dem Weg zu ihr konzipiert - nunmehr also vor allem nach Afrika und Lateinamerika zu exportieren. In dieser Richtung sind in letzter Zeit in einigen Ländern offenbar erhebliche Bemühungen im Gange, bis hin zu Entwürfen von Wegmodellen, Südafrika vom Apartheidregime zu lösen und gleichwohl dem Kapital zu erhalten.

Doch es sind keinerlei Illusionen hinsichtlich solcher neueren, elastischeren Strategien des Neokolonialismus statthaft. Dem »Modell Deutschland« wohnt von seinem imperialistischen Inhalt her notwendig inne, daß es in dem Augenblick, in dem es den erwünschten Erfolg nicht bringt, in das Modell der offenen Gewalt umschlägt. Das Ziel der Verhinderung der Befreiung ist sein unbedingter Imperativ, und gelingt diese Verhinderung einer antiimperialistischen Revolution nicht in der vorgestellten eleganten Form, für die sich die SPD selbst als historisches deutsches Beispiel empfindet, dann wird dieses Modell, seinem historischen Vorbild getreu, auch konterrevolutionäre Gewalt nicht scheuen, und kann unter entsprechenden konkreten Umständen widerspruchslos zum System durchgängiger konterrevolutionärer Gewalt, d.i. zum faschistischen Modell werden. (...)

Thema Friedensgefährdung:

Nach allem bisherigen eigentlich gar kein eigenes Thema mehr, aber hier doch noch einmal eigens angeführt, um wenigstens noch einen Punkt, der zentral in es gehört, nachtragen zu können.

In Zaire hat eine bundesdeutsche Firma, die Orbital Transport- und Raketen AG (Otrag), dem korrupten Mobutu-Regime ein Gebiet von der ungefähren Größe der Bundesrepublik, nämlich von über 100.000 km2, abgekauft und alle Rechte, einschließlich des Rechtes zur Evakuierung der in ihm lebenden Bevölkerung, über dieses Land erworben. Zu welchem Zweck? Zum Zwecke, wie es ausdrücklich im Vertrag heißt, des »Abschusses von Testraketen«.

Die Nutzungsrechte schließen ein - wörtlich aus dem Vertrag zitiert: »Jegliche Art von Eingriff in die natürliche Struktur des Gebietes..., den Bau von Flugplätzen..., den Bau von über- und unterirdischen Anlagen, welcher Art sie auch seien ...«

Hier also baut sich die Bundesrepublik, der durch die Brüsseler und Pariser Verträge von 1954 auf ihrem Gebiet die Herstellung von Raketengeschossen mit einer größeren Reichweite als der dort festgelegten relativ geringen untersagt ist, die größte Raketenbasis der Welt. Zufällig trifft dann auch am Tage des Abschusses der ersten Rakete von diesem per Geheimvertrag erworbenen Gebiet aus, am 17.5.1977, Hans Dietrich Genscher mit dem am gleichen Tage wieder ganz zufällig in diesem Gebiete weilenden Mobutu zusammen und konnte auf dieses Weise Zeuge der Abschuß-Premiere sein, ohne daß damals allerdings eine einzige Zeile darüber in irgendeiner Zeitung der Bundesrepublik zu lesen gewesen wäre.

Natürlich erklären Bundesregierung und OTRAG, seit die Sache dann später doch an die Öffentlichkeit kam, es handele sich um ein Testgelände zur Erprobung ausschließlich kommerziellen Zwecken dienender Raketen. Aber kann man sich eigentlich vorstellen, daß die Bundesrepublik einer Vielzahl von Ländern - Brasilien, Südafrika und dem Iran - zur eigenen Atombombe verhilft, nur sich selbst nicht? Zumal Südafrika über das Uran und, dank der Bundesrepublik, über die Technologie, die Kernkraftwerke und die deutschen Wissenschaftler verfügt, mit deren Hilfe sich die zu den Raketen gehörigen Sprengköpfe jederzeit herstellen lassen?

Damit sind wir wohl an dem Punkt - so unvollständig die Beispiele waren, an dem wir ein Resümee ziehen können.

Thema Rassismus:

Das Wesentliche zu diesem Thema hätte vielleicht am Anfang gesagt werden müssen; es sei hier nachgeholt. Man kann häufig die Meinung hören, der Rassismus sei eine aus den Völkern genuin kommende Erscheinung; deswegen könne er dem Imperialismus, der ihn in seinen eigenen Ländern heute doch im wesentlichen überwunden habe (was freilich ein Blick in die USA und auf die neuesten Entwicklungen in England korrigieren würde), nicht angelastet werden. Doch die Untersuchung aller Fälle von rassistischen Regimen in der »Dritten Welt« zeigt übereinstimmend, daß sich keines dieser Regimes anders als durch die aktive Stützung des auswärtigen imperialistischen Kapitals auch nur einen Tag halten könnte und noch existieren würde. Der Rassismus ist überall ein Herrschaftsinstrument in der Hand einer korrupten, mit dem auswärtigen Kapital engstens verbundenen Minderheit zur Niederhaltung der Bevölkerungsmehrheit und Offenhaltung des Landes für dessen Ausbeutung durch das ausländische Kapital. Und natürlich sind im Falle dieser rassistischen Regimes die Konzerne der Bundesrepublik in der Regel nicht deren alleinige Stütze, sondern es ist das kooperierende, multinationale imperialistische Kapital insgesamt. Der Anteil des bundesdeutschen Kapitals an diesem internationalen Kapital aber ist in raschem Anstieg begriffen und entsprechend dessen effektiver Anteil an der aktiven Stützung des Rassismus.

Thema Faschismus:

Auch hier hätte das Wesentliche zu Anfang gesagt werden müssen, nämlich: Es gibt in der gesamten »Dritten Welt« ausschließlich die Erscheinung des »abhängigen« oder »exportierten« Faschismus. Das gilt von Chile und Brasilien bis zum Iran.

Überall ist der Faschismus im Lande die Herrschaft des auswärtigen imperialistischen Kapitals über das Land. Die Bundesrepublik bzw. das Monopolkapital der Bundesrepublik ist damit zu dem Anteil, mit dem sie zum Kreis der imperialistischen Ausbeuter eines solchen Landes gehört, auch unmittelbarer Mitträger seines faschistischen Regimes.

Thema Demokratie und Rückwirkungen auf die Demokratie in der Bundesrepublik:

An all dem zeigt sich, daß für das Monopolkapital der Bundesrepublik die Frage Faschismus oder parlamentarische Demokratie ganz offenbar nicht im geringsten eine prinzipielle, sondern eine bloße Opportunitätsfrage ist. Wer den Faschismus in Chile, Brasilien, Argentinien, Uruguay, Iran usw. begrüßt, weil er die eigenen Kapitalanlagen so gut sichert, wird wohl kaum - sollte er einmal im eigenen Lande die Kapitalanlagen für gefährdet ansehen - dann den Faschismus hier prinzipiell verschmähen. Die gleichen Kräfte, die in der Bundesrepublik die demokratischen Kräfte unter der Fahne der Freiheit und Demokratie bekämpfen (wie etwa mit der Berufsverbotepolitik), erweisen sich in den Ländern der »Dritten Welt« als die Stützen des Faschismus, und zwar auch dort je nach Opportunität. Nicht Demokratie oder Freiheit oder gar die Menschenrechte sind das sie leitende Motiv, sondern ausschließlich das Interesse an Höchstprofiten, was zu wissen für alle innenpolitischen Auseinandersetzungen mit den Erscheinungen und den ideologischen Verbrämungen des Rechtstrends wohl von Nutzen ist.

Thema Friedensgefährdung:

Aus der Mobilisierung dieser reaktionärsten Regimes wie auch der - wie man hofft - auf elastische Weise in Gleichschritt zu bringenden anderen Länder zu einer aggressiven Politik gegen alle fortschrittliche Staaten und Bewegungen in der »Dritten Welt« ergibt sich jedoch im Zusammenhang mit den unauffälligen, aber zielstrebigen Vorbereitungen des deutschen Monopolkapitals auf die eigene atomare Souveränität und eine entsprechend insgesamt gesteigerte weltpolitische Aggressionspotenz, die sich gleichermaßen gegen die antiimperialistischen und sozialistischen Staaten und alle fortschrittliche Bewegungen in der »Dritten Welt« wie in Westeuropa selbst richtet, ein Gefahrensyndrom für den Weltfrieden, das - wird ihm nicht allseitig erfolgreich entgegengetreten - in der Perspektive nur in schwerste weltpolitische Katastrophen eskalieren kann.

Bedarf es - so unvollkommen an Zahl all diese Beispiele waren - weiterer Belege für die prinzipielle Notwendigkeit internationaler antiimperialistischer Solidarität?

Dieser Vortrag von Reinhard Opitz wurde auf dem 8. o. Unionstag der inzwischen (leider) nicht mehr existierenden »Deutschen Friedens-Union« (DFU) am 15./16. April 1978 gehalten. Wir haben ihn gekürzt und mit Zwischenüberschriften versehen. Er ist immer noch hochaktuell, auch wenn sich in den vom Autor erwähnten Länderbeispielen natürlich einige Veränderungen vollzogen haben.


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