Logo Geheim 2/1997

Antikommunismus als Staatsschutz
Vereinigungsverbote vor und nach dem KPD-Verbot

»Von zögerlicher Unentschlossenheit der Bundesregierung in Bezug auf die KPD kann man wahrlich nicht sprechen.«

Es lag sicherlich auch an der unzweideutigen grundgesetzlichen Regelung der Parteienfreiheit in Artikel 21, nach der allein das Bundesverfassungsgericht über die Frage der »Verfassungswidrigkeit« einer Partei entscheidet, daß das Verbot der KPD nicht 1950/1951 unmittelbar nach Gründung der BRD erfolgte, sondern eine ganze Reihe von Jahren danach. Diese lange Phase der Verbotsvorbereitung ist Teil der Geschichte des KPD-Verbots, hat aber auch ihre eigene Geschichte, die eng mit der Ausformung eines repressiv ausgerichteten grundrechtlichen Verfassungsrechts in den ersten Jahren der Bundesrepublik verbunden ist.

Von zögerlicher Unentschlossenheit der Bundesregierung in Bezug auf die KPD kann man wahrlich nicht sprechen. Immerhin schon am 12. September 1950 hatte der damalige Justizminister Thomas Dehler im Bundestag erklärt, man müsse »den organisierten Staatsfeind schon um dieser Organisation wegen treffen und ihn unschädlich machen, bevor er in Aktion treten kann« (man beachte das Vokabular des Dritten Reiches). Mit »unschädlich machen« war nicht nur der Einsatz des Strafrechts gegen den »organisierten Staatsfeind«, sondern waren auch Verbote und Polizeieinsätze gemeint. Denn unmittelbar nach dieser Äußerung wurde man konkret. In den Bundesländern gab es wenige Tage später unbefristete Verbote von Kundgebungen und Demonstrationen »der FDJ und anderer kommunistischer Organisationen«.

Berufsverbote im öffentlichen Dienst

Am 19. September 1950 (GMBI 1950, S.93) faßte die Bundesregierung den bereits mehrfach erwähnten Beschluß über Berufsverbote im öffentlichen Dienst des Bundes (ein analoger Erlaß des Bundesinnenministers erging noch am gleichen Tage). Danach zog jede »Mitgliedschaft, Teilnahme, Betätigung und Unterstützung« in der KPD und in zehn namentlich aufgeführten demokratischen Organisationen - u. a. in der FDJ, im Kulturbund und in der VVN - »unnachsichtig« die »sofortige Entfernung« von Beamten, Angestellten und Arbeitern aus dem Bundesdienst nach sich. Die Bundesländer und die Kommunen faßten entsprechende Beschlüsse. Es wird geschätzt, daß es damals innerhalb kürzester Zeit zu etwa 10.000 Berufsverboten kam. Von Einzelfallprüfungen und differenziertem Herangehen war keine Rede. Alle Organisationen wurden beschuldigt, gegen die »freiheitliche demokratische Staatsordnung« zu sein (Beschluß der Bundesregierung) bzw. sich gegen die »freiheitliche demokratische Grundordnung zu richten« (Erlaß des Bundesinnenministers).

Eine besondere Bedeutung kam und kommt dem Boykottbeschluß der Bundesregierung (GMBI. 1951, S.85) vom 27. Februar 1951 zu, der verfügte, daß alle wirtschaftlichen Unternehmen, die die KPD und 13 namentlich genannte demokratische Organisationen unterstützen, keine Aufträge mehr durch die öffentliche Hand erhalten. Zum ersten Mal taucht dabei in einem Regierungsbeschluß der Begriff »verfassungsfeindlich« auf, mit der wahrhaft überzeugenden Beweisführung: »Als verfassungsfeindlich sind die Organisationen anzusehen, die von der Bundesregierung öffentlich als solche bezeichnet werden.« Die damit von der Exekutive beanspruchte Definitionsmacht hinsichtlich der Frage, wer »Verfassungsfeind« ist, existiert heute noch. Am 24. April 1951 erging der erste Verbotsbeschluß der Bundesregierung (GMBI. 1951, S.85), der die Volksbefragung gegen Remilitarisierung, deren Ausschüsse sowie vier namentlich genannte Organisationen (die VVN, die FDJ, den Gesamtdeutschen Arbeitskreis für Land- und Forstwirtschaft und das Deutsche Arbeiterkomitee) beschuldigte, »einen Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes« zu unternehmen bzw. sich »gegen die verfassungsmäßige Ordnung« zu richten. Sie sind »daher« - so heißt es in dem Beschluß - »durch Artikel 9 Absatz 2 GG kraft Gesetzes verboten«, eine Formulierung, die, wie noch zu zeigen ist, die Vereinigungsfreiheit dem Zugriff der Exekutive auslieferte. Fritz Rische hat ja am 26. April 1951 die Verfassungsmäßigkeit dieser Volksbefragung im Bundestag verteidigt.

Antikommunistische Pogromstimmung

Ich empfehle jedem einen Blick in das Protokoll dieser Bundestagssitzung, in der die antikommunistische Pogromstimmung jener Zeit sehr drastisch zum Ausdruck kam. In seiner wohl zehnminütigen Rede wurde Fritz Rische damals 26 mal durch Zurufe, »Gelächter« und »Unruhe« unterbrochen.

Am 26. Juni 1951 entschloß sich die Bundesregierung zu einem weiteren Verbotsbeschluß gegen die FDJ (GMBI. 1951, S.149 ff.), der das Verbot vom 24. April noch einmal wiederholte und die Landesregierungen ersuchte, »jede Betätigung im Sinne der FDJ zu unterbinden«. Zur Begründung des Verbots wurde vor allem angeführt, daß die FDJ gegen die im gesamten Bundesgebiet erlassenen Demonstrationsverbote verstoße, »zum Ungehorsam gegen geltende Anordnungen aufgerufen« und damit »den Bundeskanzler und den Bundespräsidenten bei der Ausübung staatlicher und politischer Befugnisse« behindert habe. Dies alles richte sich gegen die »verfassungsmäßige Ordnung«, die damit nicht wie später mit den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, sondern mit der allgemeinen Rechtsordnung gleichgesetzt wurde. Daß in diesem Zusammenhang die politische Strafverfolgung schon vor dem KPD Verbot sich zu einer Massenerscheinung entwickelte, hat Ellen Weber bereits mit Zahlen belegt.

Mit einer ähnlichen Begründung wie gegenüber der FDJ verbot die Bundesregierung am 26. Juli 1951 auch den Rat der VVN (GMBI. 1951, S. 175 ff.). Knapp vier Monate später, am 22. November stellte sie dann beim Bundesverfassungsgericht den Antrag, die KPD als verfassungswidrig zu verbieten.

Die Bundesregierung benötigte immerhin fast fünf Jahre, um das von ihr beantragte KPD-Verbot durchzusetzen. In dieser Zeit, zu einem beachtlichen Teil aber eben auch schon vor dem Verbotsantrag, wurden die Kommunisten und mit ihrer Politik des Kampfes gegen Remilitarisierung und Restauration Sympathisierende bereits unter Ausnahmerecht gestellt.

Ein besonderes Merkmal dieser Situation war, daß die von der Bundesregierung und den Regierungen der Länder beanspruchten Kompetenzen zur Beschränkung der Vereinigungsfreiheit nach Artikel 9 Abs. 2 GG zum Einfallstor für den Polizeistaat wurden. Was der Artikel 48 WRV für die Weimarer Republik, das war der Artikel 9 GG zunächst für die Bundesrepublik Deutschland. Nur brauchte man nicht einmal förmlich den Ausnahmezustand zu erklären. Es genügte die Etikettierung einer Organisation als »verfassungsfeindlich«.

Die Bundesregierung ging davon aus, wie dies ihre damaligen Verbotsbeschlüsse zeigen, daß sie über Einschränkungen des Grundrechts auf Vereinigungsfreiheit selbst bestimmen kann. Sie vertrat die Position, daß die Formulierung in Artikel 9 Abs. 2 - »Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten« - besagt, daß es für »verfassungswidrige« Organisationen keine Vereinigungsfreiheit gibt. Sie sind »kraft Verfassung« - ipso jure (kraft Gesetzes) - verboten. Jede Exekutivbehörde - und im besonderen Maße natürlich die Bundesregierung im Rahmen ihrer zentralen politischen Steuerungsfunktion - kann dies feststellen. Da sie ja bereits verboten sind (und es so eigentlich einer Verbotsverfügung gar nicht mehr bedarf), unterliegen sie auch dem Zugriff der Polizei. Gegen sie darf es Versammlungs- und Demonstrationsverbote geben. Ihre Mitglieder und Sympathisanten können aus dem öffentlichen Dienst entlassen werden. Sie müssen (nach dem Inkrafttreten des 1. Strafrechtsänderungsgesetzes) mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen.

Schutz der Grundrechte durchbrochen

Der Schutz der Grundrechte wurde so an einer entscheidenden Stelle durchbrochen und damit für die Opposition gegen Remilitarisierung Anfang der fünfziger Jahre schon vor dem KPD-Verbot sehr weitgehend in Frage gestellt, wobei die ipso-jure-Position der Bundesregierung ausdrücklich vom Bundesverfassungsgericht am 23. Oktober 1952 gebilligt wurde (BverfGE 1, S. 13 und 78) und auch ansonsten das Bundesverfassungsgericht in keiner Weise den Polizeistaatspraktiken der Bundesregierung entgegentrat. So war das Bundesverfassungsgericht von zahlreichen Gerichten (u. a. vom Landgericht Bielefeld), die die Rechtmäßigkeit des Verbots der Volksbefragung gegen Remilitarisierung (dabei ging es um die in den Ländern nach dem Verbotsbeschluß der Bundesregierung erlassenen Polizeiverordnungen) anzweifelten, nach Artikel 100 Abs. 1 GG angerufen worden. Das Bundesverfassungsgericht nahm jedoch in seiner Entscheidung vom 20. März 1952 zur Sache überhaupt nicht Stellung, argumentierte seitenlang zum Unterschied zwischen einem Gesetz im materiellen Sinne und einem Gesetz im formellen Sinne, um dann festzustellen: »Die Anträge der vorlegenden Gerichte sind im übrigen deshalb unzulässig, weil Polizeiverordnungen nicht Gesetze im Sinne des Art. l00 Abs. 1 GG sind.«(BVerfGE 1,189).

Die wichtigste Funktion der Vereinigungsverbote vor dem KPD-Verbotsurteil war es zweifelsohne, die sich um die KPD gruppierenden antimilitaristischen und demokratischen Kräfte schon vor einem förmlichen Verbot in ihrer Aktionsfähigkeit weitgehend einzuschränken, i.e. durch Gewalt und Androhung von Gewalt zu isolieren. Der Widerstand gegen die Remilitarisierung wurde in ein »verfassungsfeindliches Unternehmen« umgedeutet und die Grundrechtswahrnehmung durch Kommunisten und mit ihnen Sympathisierende kriminalisiert. Daß die KPD sich in dieser Zeit in einem erheblichen Maße auch selbst isoliert hat - ich verweise dabei nur auf die verheerenden Auswirkungen der Inhaftierung des KPD-Bundestagsabgeordneten Kurt Müller in der DDR und deren skandalöser Rechtfertigung durch die KPD-Führung - gehört allerdings auch, wie unter anderem Wolfgang Gehrcke und Manfred Kapluck deutlich gemacht haben, zur Geschichte dieser Zeit.

KPD-Verbot wird vorbereitet

Gerade auch der Verbotsprozeß vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen die FDJ, von der Bundesregierung am 29. September 1953 gemäß §129a StGB beantragt (danach konnten Mitglieder verfassungswidriger Organisationen nur strafrechtlich belangt werden, wenn die betreffende Organisation durch das Bundesverwaltungsgericht verboten wurde) und am 16. Juli 1954 mit einem Urteil endend, das die FDJ nach Artikel 9 Abs.2 GG als verboten deklarierte, bereitete das KPD-Verbot juristisch und politisch vor. Dabei kam das Verbotsurteil gegen die FDJ kaum überraschend, wenn man bedenkt, daß von den 48 damaligen Richtern des Bundesverwaltungsgerichts 40 ehemalige PGs (gemeint sind ehemalige Nazis, d. Red.) waren.

Eine gleiche Rolle, darauf ist bereits Karl Pfannenschwarz eingegangen, spielten die Musterprozesse vor dem Bundesgerichtshof gegen führende Repräsentanten der für verboten erklärten Organisationen (der Volksbefragungsaktion, der FDJ, der Sozialistischen Aktion, der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft von August 1954 bis Juli 1956). Sie stimmten die Öffentlichkeit darauf ein, die KPD schon vor dem Urteil als eine verfassungswidrige Partei zu betrachten. Auch insofern gab es einen engen Zusammenhang zwischen Vereinigungsverboten, politischer Strafjustiz und KPD-Verbot.

Die Verbotspraxis gegen Vereinigungen vor dem KPD-Verbotsurteil hatte tiefgreifende Auswirkungen auf das grundrechtliche Verfassungsrecht. Es hat sich als sehr verhängnisvoll erwiesen, daß in der Bundesrepublik Deutschland die Weichen für die Interpretation der Grundrechte, ihrer Schranken und Schranken-Schranken unter Bedingungen eines mit exekutivischen Vereins-, Versammlungs- und Demonstrationsverboten und dann auch einer massenhaften politischen Gesinnungsjustiz arbeitenden Polizeistaates gestellt wurden. Zum Kern dieser Weichenstellung gehörte auch, daß legales, grundgesetzlich geschütztes Handeln für illegal erklärt wurde.

Einige Aspekte des grundrechtlichen Verfassungsrechts im Grundgesetz waren im Parlamentarischen Rat nicht ganz stimmig geregelt worden. Dazu gehörte auch die Formulierung des Artikel 9 Abs.2 und sein Verhältnis zu Artikel 21 und zu Artikel 18. Die Menschenrechte wurden in Artikel 1 als unverletzlich und unveräußerlich bezeichnet. In Artikel 19 war von der Wesensgarantie der Grundrechte die Rede. Nach Artikel 143 GG beschränkte sich das politische Strafrecht auf das Delikt des Hochverrats. Die Zuständigkeit allein des Bundesverfassungsgerichts für Parteienverbote und für die »Verwirkung« von Grundrechten nach Art.18 stellte eine hohe Barriere gegen den Zugriff der Exekutive auf die Grundrechte dar. Allein bei der Vereinigungsfreiheit fehlte ein ausdrücklicher Hinweis auf eine gerichtliche Zuständigkeit.

Nun gibt es allerdings in den Beratungen des Parlamentarischen Rates eine Reihe von Belegen dafür, daß die »Verwirkung« von Grundrechten nach Artikel 18 GG nicht nur für einzelne Personen, sondern auch für »Gruppen«, also auch für Vereinigungen gelten sollte (so Thomas Dehler in der 44. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates). Man strich z. B. auch in der 2. Lesung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates, einen ursprünglich vorgesehenen Abs. 4 in Artikel 21, der ausdrücklich auch Wählergemeinschaften als Parteien bezeichnete, als »überflüssig« - unter Hinweis auf die sowieso gegebene Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts bei einem Verbot von Wählergemeinschaften nach Artikel 18 GG (vgl. W. Matz, Die Vorschriften des Grundgesetzes über die Parteien in den Verhandlungen des Parlamentarischen Rates. Deutsche Rechtszeitschrift, 1950, H. 12, S.274). Aber das alles war nicht ganz eindeutig. Und genau dies nutzte die Bundesregierung. Bis Juni 1952 hatten noch eine ganze Reihe von unteren Gerichten (ich habe immerhin sechs derartige Urteile bzw. Beschlüsse gefunden, darunter einen Beschluß der Großen Strafkammer beim Landgericht Duisburg) die Vereinigungsverbote der Bundesregierung und der Landesregierungen als rechtswidrig, da »unvereinbar mit der alleinigen Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts«, bezeichnet. Aber das Bundesverfassungsgericht selbst stellte sich dann in seiner Entscheidung vom 23. Oktober 1952 hinter die Interpretation des Artikels 9 durch die Bundesregierung, nämlich, daß »die Exekutive auf Grund Art. 9 Abs. 2 GG unmittelbar gegen sie - die Vereinigungen - einschreiten kann« (BVerfGE 1, S.78), womit die Interpretation der Bundesregierung gesiegt hatte.

Wenn auch die ipso-jure Konstruktion der Bundesregierung von dieser selbst später aufgegeben wurde (weil allzu offensichtlich rechtsstaatswidrig), so liegt doch die Zuständigkeit für Vereinigungsverbote bis heute bei der Exekutive. Nach wie vor gilt die äußerst fragwürdige Regelung in § 6 Abs. 2 des Vereinsgesetzes vom 5. August 1964, daß Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen zum Vollzug des Verbots keine aufschiebende Wirkung haben.

2. Verbotswelle

Eine Folge des Verbotsurteils gegen die KPD war eine 2. Verbotswelle in der zweiten Hälfte der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre gegen demokratische Organisationen. Die Bundesregierung hatte in ihrem Verbotsantrag 37 Organisationen namentlich aufgelistet, die nach ihrer Meinung verfassungswidrig und zugleich mit dem Verbot der KPD zu verbieten sind. Das Bundesverfassungsgericht folgte ihr dabei nur teilweise. Ohne bestimmte Organisationen zu nennen, bestimmte es: »Es ist verboten, Ersatzorganisationen für die Kommunistische Partei Deutschlands zu schaffen oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzusetzen.«

In den folgenden Jahren ergingen entsprechende Verbotsverfügungen gegen den DFD und gegen die Sozialistische Aktion im Jahre 1957, gegen die Vereinigung Demokratischer Juristen 1958 und gegen das Friedenskomitee der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1959. Zugleich kam es zu weiteren Urteilen gegen führende Vertreter demokratischer Organisationen durch den Bundesgerichtshof - so am 4. Juni 1958 gegen Repräsentanten der Vereinigung Demokratischer Juristen. Insgesamt gab es mehr als 200 Verbotsverfügungen in Bund und Ländern. Eines der letzten Verbote auf Bundesebene war das Verbot der »Aktion Frohe Ferien für alle Kinder« im Jahre 1961. Zentral scheiterte die Bundesregierung mit ihrem Verbotsantrag nach §129a StGB an das Bundesverwaltungsgericht, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes zu verbieten und damit auch den Weg frei zu machen für die strafrechtliche Verfolgung von Antifaschisten allein wegen ihrer Mitgliedschaft in der VVN. Das Bundesverwaltungsgericht wies immerhin unter dem Einfluß nationaler und internationaler Proteste diesen Antrag in seiner Entscheidung vom 20.10.1959 unter Hinweis auf den der »verfassungsmäßigen Ordnung zugrunde liegenden Sühnegedanken« zurück (vgl. H. Ridder, »Sühnegedanke«, Grundgesetz, »verfassungsmäßige Ordnung« und Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, in: Die Öffentliche Verwaltung, 1963, H.9, S.321).

In den Bundesländern konnte die Bundesregierung überwiegend die Auflösung der von ihr als verfassungswidrig und als Ersatzorganisationen der KPD bezeichneten Organisationen durchsetzen. Aber es gab auch Widerstand. So war 1963 die VVN immerhin in acht Bundesländern nicht verboten (außer in Hamburg und Rheinland Pfalz), der Gesamtdeutsche Arbeitskreis für Land- und Forstwirtschaft und das Friedenskomitee der Bundesrepublik Deutschland waren in jeweils drei Ländern legal.

Das mit dem KPD-Verbotsurteil verfügte Verbot von sogenannten Ersatzorganisationen war vor allem auch die Grundlage, um vereinsrechtlich und strafrechtlich gegen jene Unabhängige Wählergemeinschaften vorzugehen, die auch Kommunisten in ihren Reihen hatten. Typisch dafür war das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
16. Mai 1958, das es als ausreichend ansah, daß von 30 Wahlbewerbern der Stuttgarter Wählervereinigung fünf oder sechs wahrscheinlich der verbotenen KPD angehörten und von den 800 Unterzeichnern des Wahlaufrufs 130 als Kommunisten oder »kommunistenfreundlich« eingestuft werden konnten. Das Gericht traf die für sich sprechende Aussage: »Es kann dahingestellt bleiben, ob die Stuttgarter Wählervereinigung eine Organisation ist, die verfassungswidrige Ziele verfolgt. Denn die Stuttgarter Wählervereinigung ist eine Ersatzorganisation der aufgelösten KPD.« (Vgl. Giese, Schunck, Winkler, Verfassungsrechtsprechung in der Bundesrepublik, Nr.21 zu Art.21 Abs.2 GG).

»Tiefgreifende Strukturveränderungen im politischen Gesamtkörper der BRD«

Wenn Helmut Ridder einmal Anfang der sechziger Jahre davon sprach, daß die Illegalisierung der KPD zu »tiefgreifenden Strukturveränderungen im politischen Gesamtkörper der BRD geführt« hat, so muß man dabei sicherlich auch die z.T. recht eigenständige Vorgeschichte dieser Illegalisierung und das Gesamtsystem der Illegalisierung nach dem Urteil im Auge haben. Ich stimme all denjenigen zu, die meinen, daß diese Strukturveränderungen bis in die Gegenwart hinein wirken. Das grundrechtliche Verfassungsrecht der Bundesrepublik ist immer noch in vielfältiger Weise, wie ich bereits am Beispiel einer rechtsstaatlich höchst bedenklichen Interpretation und Regelung der Vereinigungsfreiheit gezeigt habe, von dieser Zeit geprägt. Auf vielfältige Weise wirkt in der politischen Kultur der Bundesrepublik die Einstufung von Kommunisten und Sozialisten als Bürger zweiter Klasse nach, die um so suspekter sind, je mehr und engagierter sie die Grundrechte des Grundgesetzes wahrnehmen.

Nach wie vor gibt es das 1950 entstandene Denunziationsmonopol der Exekutiven und speziell der Verfassungsschutzämter in Bund und Ländern, in einem jährlich sich wiederholenden Ritual, demokratische Organisationen und Parteien sowie selbst Bundestags- und Landtagsabgeordnete der PDS als »verfassungsfeindlich« zu diffamieren. Das KPD-Verbot, zusammen mit den in seinem Vor- und Umfeld entwickelten Methoden, entscheidende politische Grundrechte dem Zugriff der Exekutive zu unterwerfen, existiert als ständige Drohung fort. Entsprechende parlamentarische Initiativen, wie sie Uwe-Jens Heuer schon vorgeschlagen hat, sollten m. E. Platz in einem komplexen Gesetzentwurf der PDS-Bundestagsgruppe zur Demokratisierung des politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses finden.

Prof. Dr. Ekkehard Lieberam ist rechtspolitischer Berater der PDS-Bundestagsgruppe. Sein Aufsatz - um einige Zwischen-überschriften von der Redaktion ergänzt - entstammt einer Broschüre der PDS, die alle Beiträge eines Kolloquiums zur Thematik »KPD-Verbot oder mit Kommunisten Leben?« zusammenfaßt.


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