Logo Geheim 2/1997

Vorarbeiten zur »Rote-Socken-Kampagne«
PDS im Visier des Verfassungsschutzes

Seit letztem Jahr werden in Berlin nicht mehr »nur« zwei Untergliederungen der PDS (,Kommunistischen Plattform KPF und »AG Junge GenossInnen«), sondern nicht weniger als sieben ausspioniert, so das »Marxistische Forum« um den PDS-MdB Uwe-Jens Heuer, die »AG Autonome Gruppen«, die »AG Bund Westdeutscher Kommunisten«, das »Forum West« und die »Bezirksorganisation Kreuzberg«.

Von Berlin wollte sich das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) den Schneid allerdings nicht abkaufen lassen: In seinem letztjährigen VS-Bericht 1995 wurde unter Verwendung einer Reihe von Zitaten von PDS-Bundestagsabgeordneten (s. u.) die Behauptung zu belegen versucht, die PDS »wolle die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht akzeptieren, sondern überwinden«. Dies erfolgte mit so legendären Zitaten z. B. von Gregor Gysi, die PDS begreife sich nicht als Regierung im Wartestand, sondern messe der außerparlamentarischen Opposition einen höheren gesellschaftlichen und kulturellen Stellenwert zu bzw. mit der vom PDS-Mitglied Harry Nick vertetenen Ansicht, parlamentarische Demokratie und Marktwirtschaft hätten keine finale Bedeutung und seien demnach nicht für Ewigkeit in der Basis moderner Gesellschaften verankert.

Verfassungsfeindlicher AKW-Widerstand

Ein halbes Jahr später legte das Kölner Bundesamt nach. Das BfV veröffentlichte im Oktober 1996 die Broschüre »Linksextremistische/militante Bestrebungen im Rahmen der Anti-CASTOR-Kampagne«. Hierin wird hinsichtlich der PDS ausgeführt, sie sehe »in der Anti-CASTOR-Kampagne ein wichtiges publizistisches Aktionsfeld.« Diesen Vorwurf versucht das BfV damit zu belegen, daß zwei PDS-Bundestagsabgeordnete (Eva Bulling-Schröter und Rolf Köhne) sich zu Mahnwachen und Aufrufen zur Schienendemontage am AKW-Grundremmingen beteiligt hätten (ebenso wie übrigens die Grüne MdB Gila Altmann ๐ ohne daß diese jedoch im BfV-Bericht auftauchte). Zudem hätte der PDS-Parteivorstand gar schreckliche Dinge erklärt, nämlich seine »konsequente Unterstützung der Anti-AKW-Bewegung« sowie seine Kritik an der »Kriminalisierung von Atomkraftgegnerinnen und -gegnern«.

Rundumschlag auf bayerischer Art

Anfang 1997 wurde nun vom bayerischen VS eine 62-seitige Broschüre zur PDS neu aufgelegt. Darin wird die PDS als »neo-kommunistisch« bzw. »modernisierte kommunistische Partei westlicher Prägung« bezeichnet: »Die PDS wurzelt unverändert im Kommunismus der untergangenen DDR. Das PDS-Programm, das klare Bekenntnis zum Kommunismus, die Rechtfertigung der SED-Diktatur, die Bündnisse mit anderen Linksextremisten zeigen: Die PDS will die freiheitlich demokratische Ordnung beseitigen und ein sozialistisch-kommunistisches System installieren.« Die PDS als Gesamtpartei sei demnach »eindeutig linksextremistisch«.

Die bayerischen Schlapphüte werfen der PDS vor, »einen zweiten Sozialismusversuch auf deutschem Boden« zu wollen ๐ eine Absicht, zu der mensch allerlei sagen könnte, nur nicht, daß dies verfassungswidrig sei. Dem bayerischen VS zufolge seien aus PDS-Sicht die »Probleme dieser Republik System- und strukturbedingt«. Dementsprechend seien »umfassende Reformen unausweichlich«. Schließlich wünsche sich die PDS »eine andere Republik.« Das herrschende System solle »von innen« heraus verändert werden. Nur ๐ wie wollen es die Herren Schlapphüte bzw. ihre Auftraggeber im Konrad-Adenauer Haus bzw. der bayerischen Staatskanzlei denn sonst haben ๐ etwa eine Veränderung von außen?

Natürlich nicht. Während man es auf der einen Seite für erforderlich erachtet, daß eine Gruppe, die in den Reigen »demokratischer Parteien« aufgenommen werden möchte, die »Geschichte als einen offenen Prozeß betrachten« müsse, wird im gleichen Atemzug das bestehende wirtschaftliche und politische System der BRD verabsolutiert ๐ quasi als Höhe๐ und Endpunkt der menschlichen Geschichte gesetzt: Veränderungen ausgeschlossen!

Das bayerische Machwerk zeichnet sich vor allem durch abenteuerliche Zirkelschlüsse aus. Kostprobe gefällig? Der von der PDS verwandte »Begriff 'Reformprojekt' ist offensichtlich ebenso zu bewerten wie die von der DKP propagierte 'sozialistische Umwälzung'. Diese wiederum ist identisch mit der marxistisch-leninistischen Begriff für sozialistische Revolution, die zur Diktatur des Proletariats führen müsse.«

Noch ein Nachschlag? Bitte sehr: »Der Begriff 'Demokratie' und 'Kommunismus' schließen sich gegenseitig aus. Deshalb ist die Verwendung des Begriffspaars 'demokratisch-kommunistisch' ein Beispiel dafür, daß die PDS Demokratie nicht im Sinne des Grundgesetzes versteht.«

Was hier geschieht ist mit dem gesetzlichen Auftrag eines Verfassungsschutzes nicht mehr vereinbar. Hier wird politikwissenschaftliches und lediglich kommentierendes Geschwätz als geheimdienstliche Erkenntnisse verkauft, wenn sich z.B. der VS des Freistaates Bayern die »demokratische Legitimation und ökonomische Kompetenz« z.B. der von der PDS geforderten Volksabstimmungen (Plebisziten) in Zweifel zieht.

Der Versuch, die PDS in die verfassungsfeindliche Ecke abzuschieben läuft im wesentlichen über drei Punkte, der Frage der Legitimierung von Gewalt, der Frage des Parlamentarismus und der Haltung zur DDR.
- Das Bekenntnis, z. B. der »AG Junge GenossInnen« zu »unkonventionellen Methoden zivilen Ungehorsams« sowie zu »Normenübertretungen« sind in den Augen des bayerischen VS - so als ob es die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die strafrechtliche Bewertung von Sitzblockaden nie gegeben hätte - gleichzusetzen mit »der Propagierung der Anwendung von Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung«.
- Schlimm auch, daß die PDS in ihrem Parteiprogramm den außerparlamentarischen Kampf für »entscheidend« bezeichnet und ihm Vorrang einräumt gegenüber der Kärrnerarbeit in den Parlamenten. Nur hier verwechselt der VS systematisch Überlegungen zur politischen Kultur eines Landes mit verfassungsrechtlichen oder verfassungspolitischen Grundsätzen.
- Vorschreiben möchte der VS natürlich auch die richtige Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Wer die herrschenden Schwarz-Weiß-Schemata nicht übernimmt, wenn die PDS zum Kotau nicht bereit ist, wird die herrschende Klasse ohne Ende weiter zuschlagen.

So versucht der bayerische VS der PDS selbst die »positive Bewertung der bolschewistische Revolution von 1917 und die mit ihr verbundenen globalen politischen Umwälzungen« als verfassungsrechtlich relevante Erkenntnis zu verkaufen.

Noch deutlicher wird es natürlich bei der DDR-Geschichte. Dem VS zufolge hat die DDR keine Fehler gemacht, sie war der Fehler ๐ und dies von Beginn an. Eine differenzierte Geschichtsaufarbeitung ist nicht nur nicht gefragt, sondern tendenziell verfassungsfeindlich. So z. B., wenn der VS dem PDS-Vorstandsmitglied Prof. Michael Schumann vorwirft, er rechtfertige den Sozialismusversuch in der DDR, »trotz« ๐ wie Schumann selber sagt »der mit ihm verbundenen Fehler, Irrwege, Versäumnisse und selbst Verbrechen«. Wer, wie Schumann, die Gründung der DDR für eine »legitime historische Antwort auf die Kriege und andere unvergleichliche Verbrechen an der Menschheit gekennzeichnete Periode der deutschen Geschichte« hält, mag zwar gegen die guten Sitten der herrschenden Klasse verstoßen, aber er kann doch darüber nicht zum Verfassungsfeind werden. Oder doch?

Aber so richtig in Fahrt gekommen, kennt der bayerische VS kein Halten mehr. Zur Erinnerung: auch die nachfolgende Passage soll eigentlich Argumente für die behauptete Verfassungsfeindlichkeit liefern: »Die PDS vertritt einen konsequenten Internationalismus und ist dem Antifaschismus verpflichtet.«

Der VS - Hilfstruppe der Bundesregierung

Bereits im Frühjahr letzten Jahres hatten Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit einer Kleinen Anfrage der PDS eins auswischen wollen.

Schon damals präsentierte die Bundesregierung ähnliche »tatsächlichen Anhaltspunkte« für die behauptete »Verfassungsfeindlichkeit« der PDS wie die Bayern:
- Die PDS sei »eine sozialistische Partei«
- Die PDS »strebe einen demokratischen, sozialen, ökologischen, zivilgesellschaftlichen Wandel der Bundesrepublik an, der den Weg zur Überwindung der Kapitalvorherrschaft eröffne«
- Die PDS verstünde sich »zu einem beachtlichen Teil als außerparlamentarische Bewegung«
- Die PDS trete als Veranstalterin »antifaschistischer und antimilitaristischer« Aktionen auf, »an denen auch Autonome beteiligt waren« und beteilige sich an Demonstrationen, an denen behauptet wird, »es gibt keinen Grund, den Anschluß der DDR an die Bundesrepublik zu feiern«.

Angesichts dieser bahnbrechenden »Erkenntnisse« gelangte die Bundesregierung zu der erwünschten Feststellung, »die PDS insgesamt« wolle die freiheitlich demokratische Grundordnung »überwinden«.

Rechtsextremisten geben die Linie vor

Die CDU/CSU-Anfrage geht mit einiger Sicherheit auf eine Tagung im November 1995 der »Konrad Adenauer-Stiftung« zurück. Dort trafen sich PolitikerInnen der CDU/CSU mit Vertretern der sogenannten »neuen Rechten«. Bei Letztgenannten handelte es sich vor allem um Personen aus dem Umfeld der Wochenzeitung Junge Freiheit wie Ulrich Schacht, Gunnar Sohn, Klaus Rainer Röhl, Rainer Zitelmann.

Thema dieser Veranstaltung war der Kampf gegen die »Alte Linke«, wie schon auf anderen vorherigen Veranstaltung der »Hanns-Seidel-Stiftung« und der »Konrad-Adenauer-Stiftung«. Kein Wunder, daß über diese Veranstaltung die Junge Freiheit ausführlich berichtete und auch konkrete Ideen aus dieser Tagung vorstellte. So wurde hier unter anderem ein Zeitungsprojekt »Blick nach Links« andiskutiert; dessen Aufgabe darin bestehen sollte, Aktivitäten der Linken zu beobachten und für die Rechte besser angreifbar zu machen.

Zu den Erstunterzeichnern der Kleinen Anfrage der Unionsparteien gehört Hartmut Koschyk - seines Zeichens ehemaliger Generalsekretär des Bundes der Vertriebenen (BdV) und Vorsitzender des »Vereins für das Deutschtum im Ausland« (VDA), auf deren revanchistisches und mitunter auch rechtsextremistisches Treiben die PDS-Bundestagsgruppe in den letzten Jahren immer wieder durch eine Unzahl Kleiner Anfragen hingewiesen hatte.

Keine Erwähnung von PDS-Abgeordneten mehr!

In allen hier angeführten VS-Berichten wurden zur Untermauerung der behaupteten Verfassungsfeindlichkeit der PDS stets Ausführungen von PDS-Abgeordnete langatmig wiedergeben.

Dieses Vorgehen steht im bezeichnenden Widerspruch dazu, wenn die PDS Aufklärung über Rechtsextremisten verlangt. Derartige Anfragen werden regelmäßig unter dem Hinweis auf das Bundesverfassungsschutzgesetz abgebügelt: »Die Bundesregierung veröffentlicht personenbezogene Daten und wertende Stellungnahmen zur politischen Tätigkeit von Einzelpersonen im Bereich des Extremismus nur unter den Voraussetzungen des -16 Abs. 2 BverfSchG.« Derlei Bedenken kennt man bei der PDS nicht.

Die PDS-Bundestagsgruppe nahm die Erwähnung z. B. von Gregor Gysi, Uwe-Jens Heuer, Ulla Jelpke und anderen PDS-MdBs zum Anlaß, diese Instrumentalisierung des VS zu parteipolitischen Zwecken und die Einschränkung ihrer Abgeordnetenrechte und Äußerungsmöglichkeiten zur Sprache zu bringen - mit Erfolg.

Ein entsprechender Brief Gregor Gysis wurde an den Innenausschuß verwiesen. Hier nahm der ehemalige innenpolitische Sprecher der FDP Burkhardt Hirsch im August 96 wie folgt Stellung: Er hielt die Zitatklauberei für »töricht. Die wiedergegebenen Äußerungen (der PDS-MdBs) sind weder zutreffend noch intelligent. Es sind aber Lappalien. Der Verfassungsschutz muß sich vor dem Eindruck hüten, er überwache die im Bundestag vertretene Opposition und darum sollte er Abgeordnete nur dann namentlich nennen, wenn es Fälle von so außerordentlicher Bedeutung sind, daß die Berechtigung und Notwendigkeit des wörtliches Zitats über jeden Zweifel erhaben ist.«

Im Innenausschuß sprachen sich am 15. Januar 1997 Vertreter aller Oppositionsparteien - aber auch der FDP ๐ gegen die erfolgte namentliche Erwähnung von PDS-Abgeordneten im VS-Bericht 1995 aus. Eine zu breite Behandlung würde z.B. den Grünen Abgeordneten Rezzo Schlauch eh' nur »langweilen«. Bundesinnenminister Manfred Kanther entgegnete völlig zurecht, eine VS-Bericht sei nicht dazu da, zu unterhalten. Er, Kanther, wolle aber nach wie vor PDS-MdBs ohne allzu große Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit zitieren dürfen. Schließlich komme es hierbei auf das richtige Augenmaß an. Das Problem ist nur, daß der VS bekanntermaßen auf dem rechten Auge blind ist und links alles doppelt sieht.

Die PDS kann dem in der Sache gelassen entgegentreten. Die inhaltlichen Vorwürfe des VS desavouieren sich selbst. Dies sehen selbst VS-Präsidenten - speziell der östlichen Bundesländer - auch so: So sprach der damalige Chef des Brandenburger VS, Wolfgang Pfaff, von einer »krausen Verschwörungstheorie, ohne Belege«. Aufgrund eines »Blütenkranzes radikaler Einzeläußerungen von PDS-Mitgliedern« die PDS zu beobachten, sei Unsinn. (Spiegel 10/96). Ähnlich hatte sich im letzten Jahr bereits der CDU-Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Rudi Geil, geäußert (vgl. FR, 22. 3. 96) Auch die VS-Behörden und Innenministerien von Sachsen und Thüringen lehnen eine Beobachtung der PDS über die KPF sowie der »AG Junge GenossInnen« ab. Dies sei »nach objektiven Kriterien nicht möglich«. Hinter den Absichten des Berliner Ex-Generals Schönbohm stecke nach Ansicht seines Thüringer Kollegen, Dewes (SPD), in Wahrheit die Rote Socken Kampagne des CDU-Generalsekretär Peter Hinze. (Leipziger Volkszeitung, 7.1.97)


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