Logo Geheim 1/1997

Wir gedenken im Jahr 1997

Philipp Melanchthon (Schwarzert), 1497 - 1560
Francois-Noel Gracchus Babeuf, 1760 - 1797
Ludwig Feuerbach, 1804 - 1872
Antonio Gramsci, 1891 - 1937
Ernesto ,Che« Guevara, 1928 - 1967
Kurt Bachmann 1909 - 1997

Kurt Bachmann ist tot. Er starb in einer Zeit, in der Menschen wie ihm manchmal in den Nachrufen des Gegners mehr Gerechtigkeit zu widerfahren scheint als in den Nachrufen einstiger Weggefährten.

»Er war ein unerschütterlicher, auch durch Enttäuschungen nicht aus seiner Bahn zu bringender Kommunist«, lautete der erste Satz im Nachruf der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG vom 25.2.1997, während der Autor des Nachrufs im NEUEN DEUTSCHLAND einen Tag später versuchte, den Kommunisten Kurt Bachmann in einen, wenn nicht Dutzendliberalen, so doch linksliberalen Antifaschisten zu verwandeln.

Was Kurt Bachmann unzweifelhaft mit den Linksliberalen gemein hatte, war die Überzeugung vom hohen Stellenwert der Bürger- und Menschenrechte; was ihn aber doch wesentlich von ihnen unterschied, war die Überzeugung, daß die notwenige Verallgemeinerung bürgerlicher Freiheitsideen mit der sozialistischen Veränderung der Gesellschaft zusammenfalle; was heißt: Kurt Bachmann »lebte« nicht »für die Menschenrechte«, wie das NEUE DEUTSCHLAND plakatierte, sondern - für den Sozialismus, die Gesellschaft der Freien, Gleichen und Brüderlichen, worin(!) die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.

»Unter uns« erwies sich Kurt Bachmann als der liebenswerteste »demokratische Charakter« (Otto Flake), wahrlich eine Seltenheit unter kommunistischen Persönlichkeiten. Aber die »Abwahl« einer sozialistischen Regierung »von der Macht« war für ihn so wenig Denkmöglichkeit wie der Wahlsieg einer kommunistischen Partei als conditio sine qua non ihrer Machtausübung eine Denknotwendigkeit: »Wenn wir (lies: die DKP) die Mitgliederzahlen des PCF oder des PCI hätten, wären wir an der Macht.« Von Wahlsieg war da nie die Rede, das Ansinnen einer »Abwahl« verwarf er unwirsch vor dem Hintergrund der Erfahrung, mit welchen Folgen die Arbeiterbewegung die »Abwahl« der Weimarer Demokratie hingenommen hatte.

Der Journalist und Publizist konnte seine jungen Berufskollegen zwar nie genug zu verantwortlichem Verhalten gegenüber dem Leser ermahnen, erinnerte stets an das Vorbild Karl Marx, der lieber noch einen Gang zur Bibliothek gemacht habe, als etwas Ungewisses zu veröffentlichen; aber für die »Pressefreiheit«, wie sie Anfang der 70er »eurokommunistisch« aus Frankreich und Spanien herüberschallte, hatte er wenig mehr als Hohn und Spott. Pressefreiheit war für Kurt Bachmann vielmehr der Kampf um »die Macht« eine antifaschistische und demokratische Presse zu schaffen.«

Als gerade von der Buchenwald-Tortur genesener Kommunist hatte er bei der Gründung der Einheitsgewerkschaft in Köln zwar noch mit dem späteren DGB-Chef Hans Böckler an einem Tisch gesessen, aber dann hatte er die Neuauflage der demagogisch-sozialdemokratischen »Sozialismus«-Propaganda von 1918 (»Der Sozialismus marschiert« - »Sozialismus ist Tagesaufgabe«) und die neuerliche Stigmatisierung der Kommunisten jetzt durch die Schumacher-SPD erlebt, die Verhinderung der Einheit der Arbeiterparteien im Westen, das Herausdrängen der Linken aus SPD und Gewerkschaften, die Unvereinbarkeitsbeschlüsse, die Herbeiführung und die Folgen des KPD-Verbotes, alles zur höheren Ehre des deutschen Kapitals gegen die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz. Deshalb war er nicht nur gänzlich illusionslos gegenüber der »Neuen Ostpolitik«, sondern richtete auch das Angebot zur »Aktionseinheit«, das er Anfang der 70er Jahre als DKP-Vorsitzender der SPD antrug, nicht an die SPD-Führung, sondern unmißverständlich an alle, die in der SPD und in den Gewerkschaften Arbeiterinteressen zu vertreten suchten.

Die »jungen« Leute der FDJ-Generation der 50er Jahre, die in den 70ern Walter Ulbricht an der Spitze der DDR und Kurt Bachmann in der Führung der DKP ablösten, dachten und sprachen völlig anders, losgelöst von dieser Erfahrung. Die noch jüngeren Leute der SDAJ- und MSB-Generation der 60er Jahre dachten und sprachen losgelöst von jeder Erfahrung. Die DKP denaturierte in den 70ern und 80ern Schritt für Schritt zu einem sozialdemokratischen Traditionsverein und Kristallisationspunkt bürgerlicher Emanzipationsbewegungen. Sie hatte sich in Aufschwung wie in Krise als unfähig erwiesen, ihrem klassischen Klientel, »den Arbeitern, das Bewußtsein ihrer Lage und ihrer sozialen und politischen Interessen zu vermitteln«, was Kurt Bachmann in der Presseerklärung zur Konstituierung der DKP am 29.9.1969 der neuen KP ins Stammbuch zu schreiben versucht hatte.

Als überzeugter Kommunist blieb aber Kurt Bachmann dieser Aufgabe treu, den Arbeitern das Bewußtsein ihrer Lage und ihrer sozialen und politischen Interessen zu vermitteln - bis zum Ende seiner Arbeitsfähigkeit: »Ich bin überzeugt von einer Renaissance des Sozialismus, in welcher Generation auch immer ...« (KStA vom 26.9.1990). Der Gegner weiß es und zollt ihm Respekt: »Er war ein unerschütterlicher, auch durch Enttäuschungen nicht aus seiner Bahn zu bringender Kommunist.«

Kurt Bachmann! - Presente!

Bordien, Hans Peter


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