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»... erlebte ich Vorbereitungen von Attentaten auf Fidel Castro ...«
Interview mit Mauro Casagrandi (Havanna, Cuba)

GEHEIM: Wie und wann sind Sie für die CIA angeworben wurden?

Casagrandi: Das war 1975 im Dezember, genauer: am 11. Dezember, in Madrid, in Spanien. An diesem Tag wurde ich von einem Rafael angesprochen. Dieser Mann hatte eine hohe Position in der US-amerikanischen Botschaft dort und war ein CIA-Mann, ein CIA-Offizier. (...)

Ich war zu dieser Zeit als Geschäftsmann in Cuba und machte bedeutende Geschäfte mit der cubanischen Regierung. Ich vertrat eine Anzahl von nicht unwichtigen italienischen Firmen, dazu gehörten FIAT und Pirelli, und hatte dadurch Zugang zu nicht unwichtigen Leuten auf recht hoher Ebene der cubanischen Institutionen.

Wenn ich mich mit den CIA-Leuten unterhielt, dann zeigte sich, daß sie alles wußten, daß sie sehr gut Bescheid wußten über mich, und daß sie sich wegen dieser Verbindungen, die ich hatte, wichtige Informationen erhofften. (...)

Ich gab ihnen dann Informationen über meinen Job, 12 Jahre lang, und wir trafen uns an den verschiedensten Orten der Welt, im Ausland.

Sie brachten mir dann die verschiedensten Techniken der Nachrichtenübermittlung bei, der geheimen Nachrichtenübermittlung, was so alles dazu gehört, das Schreiben mit unsichtbarer Tinte und so weiter, sie gaben mir ein Sendegerät für Radiotelekommunikation und so; dann hatte ich Kontakt hier in Havanna mit CIA-Offizieren, die schon hier waren. Zuerst habe ich nur empfangen, aber dann bekam ich einen Sender, einen Hochleistungssender, mit dem ich unglaublich viele Signale in unglaublich kurzer Zeit absetzen konnte - direkt nach Langley. (..)

GEHEIM: Wer war Ihr Führungsoffizier und wie oft haben sie ihn getroffen?

Casagrandi: Ich hatte viele vesrschiedene Führungsoffiziere in diesen 12 Jahren, viele, ich würde sagen sechs oder sieben wenigstens. (...) Ja ich habe die an allen Orten getroffen, die ich schon genannt habe, in Europa, in Mailand, Lyon, Madrid. In Madrid sehr oft. In New York sehr oft, oft in Washington. In Miami, in Panama, in Buenos Aires, in Hollywodd, in Beverly Hills...(...)

GEHEIM: Was hat die CIA von Ihnen gewollt und an welchen Informationen waren die besonders interessiert?

Casagrandi: Sie waren an den unterschiedlichsten Arten von Informationen interessiert. Sie wollten eben alles wissen, was mit meiner Arbeit zusammenhing, womit ich durch meine Arbeit in Berührung kam. Alles, was ich herausfinden konnte über die Tätigkeit der verschiedenen cubanischen Institutionen, zum Beispiel der cubanischen Nationalbank. Die cubanischen Außenhandelsbeziehungen interessierten sie sehr. Die Beziehungen zu Nicaragua, die Beziehungen zu Angola. Sie fragen: was planen die Cubaner, was tut Fidel, was tun einzelne Institutionen, einzelne Personen, ob es irgendwelche Meinungsverschiedenheiten inerhalb der cubanischen Regierung gäbe, ob es dort Gruppierungen gäbe, möglicherweise pro-Moskau-Fraktionen und pro-Peking-Fraktionen. (...)

Genauso wollten sie Informationen über das öffentliche Gesundheitswesen haben. Und dann kamen immer wieder Fragen nach Fidel Castro. Wie er lebt, was er tut, nach seinem Gesundheitszustand, nach den Sicherheitsmaßnahmen für ihn ...

GEHEIM: Wie oft mußten Sie der CIA berichten?

Casagrandi: Wenn ich in Cuba war, dann wollten die von mir eine Nachricht pro Woche haben.

GEHEIM: Das war ja wohl eine harte Arbeit für Sie.

Casagrandi: Das kann man wohl sagen.

GEHEIM: Hat die CIA denn anständig gezahlt?

Casagrandi: Nun ja, am Ende kamen ungefähr 250.000 US Dollar 'raus (...).

GEHEIM: Hatten Sie ein Konto in den Vereinigten Staaten?

Casagrandi: Nein, Nein, Nein. Das Konto war in der Schweiz. Nun, und zum Schluß konnte ich dann dieses hübsche Sümmchen dem eigentlichen Eigentümer geben, der cubanischen Regierung.

GEHEIM: Gab es innerhalb Ihrer Arbeit Hinweise darauf, daß die CIA nach wie vor die Ermordung Fidel Castros plant?

Casagrandi: Ich habe genauso wie die anderen 27 Kundschafter, die die CIA inflitriert hatten (...) direkt oder indirekt erlebt, daß es Aktionen gab, die sich gegen das Leben Fidel Castros richteten. In der Tat erlebte ich Vorbereitungen von Attentaten auf Fidel Castro. Ich hatte den Auftrag, ganz bestimmte Aspekte zur Vorbereitung solcher Attentate auszuspionieren. Einmal ging es um Fidels Sicherheit, z.B. wann zeigt sich Fidel in der Öffentlichkeit, wie ist der vorgesehene Zeitablauf und solche Sachen. So ist zum Beispiel ganz konkret die Vorbereitung eines Attentats auf Fidel 1985 bekannt geworden.

Diese Vorbereitungen nahmen einen derart großen Umfang an, machten einen derart großen Teil der Arbeit der CIA aus, daß es notwendig war, damit an die Öffentlichkeit zu gehen.

Es sah zeitweilig so aus, als sei die Ermordung Fidel Castros das hauptsächliche Ziel der CIA-Arbeit in Cuba.

GEHEIM: Sprachen die Führungsoffiziere Ihnen gegenüber offen von diesem Ziel, Fidel Castro zu ermorden?

Casagrandi: Ja! Ja! Das erste Mal, daß ich davon hörte, war ganz am Anfang meiner Arbeit in der CIA, nach dem ersten Lügendetektor-Test. Da sprachen sie davon, daß sie 36 mal versucht hatten, Fidel Castro zu ermorden; 36 Attentatsversuche hatten sie vorbereitet. (...)

GEHEIM: Noch eine Frage, die vielleicht von besonderem Interesse ist für die Leser in der Bundesrepublik. Warum haben Sie als italienischer Geschäftsmann von Anfang an mit der cubanischen Regierung, mit dem cubanischen Geheimdienst zusammengearbeitet? Warum sind Sie im cubanischen Fernsehen aufgetreten, um die CIA-Praktiken offenzulegen?

Casagrandi: Ich denke, das, was uns alle verbindet, die Regierung, die Sicherheitskräfte und auch mich, das ist der Kampf für die Revolution (...).

GEHEIM: Angenommen, Sie würden noch einmal vor die Entscheidung gestellt, würden Sie dann noch einmal mit der cubanischenRegierung zusammenarbeiten und dasselbe tun?

Casagrandi: Aber natürlich. Durch das, was ich getan habe, wird mein Leben sinnvoll. Ich bin der CIA fast dankbar, daß sie mir die Gelegenheit gegeben hat, etwas für die Revolution, für die Menschenrechte, für die Menschen zu tun. (...)

Auszüge aus einem Interview mit Mauro Casagrandi, das Michael Opperskalski in Havanna führte und das in voller Länge in GEHEIM, Nr. 2/3-1989, abgedruckt wurde. Mauro Casagrandi gehörte zu jenen Kundschaftern der cubanischen Revolution, die zum Teil über Jahrzehnte hinweg die CIA infiltiert hatten. Dank ihrer Tätigkeiten konnten nicht nur Mordanschläge gegen Fidel Castro verhindert, sondern ungezählte Sabotageakte politischer oder ökonomischer Natur vereitelt werden. 1987 strahtle das cubanische Fernsehen eine sechsteilige Serie aus, die im Detail die verschiedensten »dirty tricks« der CIA enthüllte und in der auch 27 jener Kundschafter als Zeugen auftraten.


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