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Gegen Verschärfung der Sicherheits- und Geheimdienstgesetze
Südkoreanische Opposition

RA Dr. Rolf Gössner sprach auf einer Internationalen Konferenz in Seoul über Erfahrungen mit deutschen Geheimdiensten

Auf Einladung eines linksoppositionellen Bündnisses gegen die Verschärfung der südkoreanischen Sicherheits- und Geheimdienstgesetze hat der Bremer Rechtsanwalt, Publizist und GEHEIM-Redakteur, Rolf Gössner, Ende Februar 1997 an einer Internationalen Konferenz in Seoul teilgenommen.

Als einer der Hauptreferenten hat der Geheimdienstexperte zwei Vorträge gehalten über die Erfahrungen mit Geheimdiensten in der ehemaligen DDR und im vereinten Deutschland. Mit besonderem Interesse wurden dabei von den südkoreanischen Organisatoren und den Medien zum einen die Bewältigung des DDR-Stasi-Systems und seiner zwiespältigen Aufarbeitung aufgenommen; andererseits die (zaghaften) Versuche in der Bundesrepublik, den »Verfassungsschutz« unter rechtsstaatliche Kontrolle zu bringen. An der Konferenz haben neben südkoreanischen Experten, zwei bundesdeutschen Experten (Prof. Dr. Martin Kutscha und Dr. Gössner) sowie zwei Geheimdienstkritiker aus dem amerikanischen Bürgerrechtsspektrum teilgenommen.

In Südkorea sind die Sicherheits- und Geheimdienste strukturell und personelll noch deutlich geprägt von einer seit 1953 herrschenden Militärdiktatur, die erst 1993 von der ersten Zivilregierung unter Kim Young-Sam abgelöst worden ist. Die demokratischen Kräfte haben auf dieser Regierung große Erwartungen gesetzt. Doch - so ein Sprecher während der Konferenz - der ersehnte »Frühling« ist nicht gekommen. Nach einer anfänglichen Liberalisierung wurde Ende letzten Jahres - unter Ausschluß der Opposition und ohne Lesung - eine Änderung des berüchtigten Nationalen Sicherheitsgesetzes durch das Parlament gepeitscht. Mit dieser Verschärfung werden die Geheimdienst-Kompetenzen erweitert, wird praktisch wieder an die Tradition der Militärdiktatur angeknüpft. Da mit diesem undemokratischen Vorgehen die Rechte der parlamentarischen Opposition massiv beschnitten wurden sowie die Rechte der außerparlamentarischen Opposition bedroht werden, hat sich ein breites Bündnis gegen diese Entwicklung zusammengefunden. Dieses Bündnis kann sich weitgehend auf die teilweise recht militante Opposition gegen die ebenfalls Ende letzten Jahres beschlossene Verschärfung der Arbeitsgesetze zu Lasten der Arbeitnehmerschaft stützen. Aus diesem Grunde sind nicht nur Demokratische Juristen- und Hochschulgruppen an dem Protest beteiligt, sondern auch Teile der Gewerkschaften.

Südkorea befindet sich noch immer im Kalten Krieg mit Nordkorea, der erst kürzlich durch das Asylbegehren des nordkoreanischen »Chefideologen« Hwang Jang Yop und durch das Attentat auf einen früheren nordkoreanischen Überläufer eskalierte. Angesichts dieser Ereignisse erhalten die durch eine jahrzehntelange Militärdiktatur geprägten südkoreanischen Sicherheitskräfte wieder neuen Auftrieb - eine Entwicklung, die in der gegenwärtig angespannten Lage die mühsam erkämpften Freiräume gefährden könnte. Die Opposition jedenfalls ist alarmiert, fordert die Zurücknahme der Gesetzesverschärfungen und setzt auf internationale Unterstützung in ihrem Kampf gegen eine weitere drastische Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, in ihrem Kampf gegen Repression, Folter und geheimdienstliche Machenschaften.

Mit besonderem Interesse wurden in Südkorea die deutschen Erfahrungen mit der Stasi-Aufarbeitung und mit den Geheimdiensten im vereinten Deutschland aufgenommen. Gössners Erfahrungen als Sachverständiger zum Stasi-Unterlagen-Gesetz im Bundestag und zu den Verfassungsschutzgesetzen der neuen Bundesländer haben entsprechend große Aufmerksamkeit gefunden. Ganz besondere Aufmerksamkeit erregte in Seoul das rot-grüne Modell einer »rechtsstaatlichen Zähmung« des Verfassungsschutzes (1990 bis 1994) - an dessen liberaler Ausprägung Rolf Gössner als rechtspolitischer Berater der damaligen Regierungsfraktion Bündnis 90/Die Grünen im Niedersächsischen Landtag maßgeblich beteiligt war. An dieser Reform des niedersächsischen Verfassungsschutzes und an der weitgehenden Liberalisierung des niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes - die bekanntlich mittlerweile unter SPD-Alleinregierung in wesentlichen Teilen wieder zurückgenommen worden ist - zeigt sich die Opposition Südkoreas besonders interessiert - als mögliches Modell, als Strategie für eine Machtbegrenzung der südkoreanischen Geheimdienste, deren Auflösung in der gegenwärtigen Phase Koreas nicht auf der Tagesordnung steht.

Rolf Gössner


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